Bis dass der Tod uns scheidet
gesungen hätte.«
»Aber Sie haben es nicht zugelassen.«
»Und wenn er mich überwältigt hätte?«
»Dann hätte ich die Polizei gerufen.«
»Und wenn er dich angegriffen hätte?«
»Geben Sie mir eine Waffe und bringen Sie mir das Schießen bei.«
Das erste Mal, als ich von Mardi Bitterman hörte, hatte sie Twill um eine Waffe gebeten, um ihren Vater, den Kinderschänder, umzubringen.
»Erinnerst du dich noch an die Frau, die vor ein paar Tagen hier aufgetaucht ist?«, fragte ich sie.
»Die, die behauptet hat, sie sei Mrs. Tyler, aber in Wirklichkeit ihre Schwester ist.«
»War. Sie ist tot.«
»Was?«
»Mord.«
»Was ist passiert?«
Ich erzählte ihr alles, auch über Hushs Verdacht, wer der Täter sein könnte. Ich musste sie gar nicht erst bitten, nichts davon weiterzuerzählen. Mardi war ihr eigener schalldichter Raum. Ihre Geheimnisse waren tiefer und schwärzer als alles, was ich je erlebt hatte.
»Was haben Sie vor?«, wollte sie wissen.
»Ich weiß nicht. Ich schätze, ich habe gehofft, über irgendetwas zu stolpern, ein Detail oder einen Fehler von Cyril. Hat aber nicht geklappt. Also schätze ich, ich muss ihm eine Falle stellen.«
»Wird es gefährlich?«
»Sehr. Und genau deshalb kann ich es mir nicht leisten, mir Sorgen um dich zu machen.«
»Aber Boss …«, sie hatte mich noch nie Boss genannt, »Sie verstehen nicht. Hier in Ihrem Büro zu sein ist für mich das Beste auf der Welt. Es bedeutet Sicherheit.«
»Was daran?«
»Die Art, wie Sie mich ansehen, Mr. McGill«, erklärte sie. »So möchte ich gesehen werden.«
Damit war die Diskussion beendet. Mardi würde für mich arbeiten, und ich würde sie beschützen müssen. Ich schüttelte den Kopf, und wir beide grinsten.
»Also gut«, gab ich nach, »aber tu mir einen Gefallen.«
»Welchen denn?«
»Geh nach Hause. Geh und lass mich hier nachdenken.«
Ich löschte fast alle Lichter im Büro, wanderte auf Strümpfen durch die Zimmer und legte mir einen Plan zurecht. Um halb neun erhellte die Sonne aus der hintersten Ecke des westlichen Horizonts noch immer die City. Ich kam mir vor wie ein einfacher Soldat, der auf den Befehl wartet, hinauszumarschieren und für eine Idee zu sterben, die er kaum verstand.
Ich setzte mich in eine der leeren Kabinen im Flur zwischen Mardis Schreibtisch und meinem. Ich legte meine großen Füße auf die Resopalplatte und dachte nach über Zehen, Krallen, Pfoten und genetische Historie.
Ich saß da und grübelte, bis das Telefon klingelte. Es schien ganz so, als hätte ich auf diesen Anruf gewartet, auch wenn ich keinen Grund hatte, damit zu rechnen.
»Hallo.«
»Leonid«, sagte meine mir seit zu langer Zeit angeheiratete Frau.
»Ja, Katrina. Warum rufst du so spät noch im Büro an?«
»Ich hab’s auf deinem Handy versucht, aber du bist nicht rangegangen.«
»Ach. Ja. Das liegt in meinem Büro, und ich hab die Beine hier im Flur ausgestreckt.«
»Was machst du denn da?«
»Ich betrachte meine Zehen«, antwortete ich. »Im Dunkeln.«
»Was ist los, Leonid?«
»Keine Ahnung. Warum rufst du an?«
»Gordo.«
»Was ist passiert?« Ich setzte mich aufrecht hin, war plötzlich nicht mehr an den Rätseln der Evolution interessiert.
»Etwas Wundervolles. Er ist ohne seine Gehhilfe den Flur entlanggegangen.«
»Nein.«
»Doch«, entgegnete sie unter Lachen. »Elsa war gleich hinter ihm, aber er hat es allein hingekriegt. Seit Wochen hat er das nicht mehr geschafft.«
»Jawohl.«
»Leonid?«
»Was denn, Schätzchen?«
»Komm nach Hause.«
»Heute Nacht nicht, Liebe. Ich habe ein ernstes Problem zu klären. Mehr als eins.«
»Hat es mit Dimitri zu tun?«
Ich wusste, dass sie über kurz oder lang auf die missliche Lage ihres Ältesten kommen würde.
»Eigentlich nicht«, antwortete ich. »Dimitri ist mit Tatyana in Paris.«
»Paris?«
»Unser Junge ist groß geworden.«
»Diese Tatyana Baranovich bringt nur Ärger«, stellte Katrina fest.
»Tja, so mögen es die Männer der McGills, hm, Schätzchen?«
»Wann wird er zurück sein?«
»In ein paar Tagen.«
»Mit ihr?«
»Zweifellos.«
»Ich muss los«, sagte Katrina.
»Bis morgen. Schöne Grüße an Gordo.«
»Hier ist der Privatanschluss von Cyril Tyler«, verkündete ein zimperlich klingender Phil auf dem Anrufbeantworter. »Es ist im Augenblick niemand da, um Ihren Anruf entgegenzunehmen. Wenn Sie eine Nachricht hinterlassen wollen, warten Sie auf den Piepton.«
Kein versprochener Rückruf. Kein Danke für Ihren
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