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Bis die Daemmerung uns scheidet

Bis die Daemmerung uns scheidet

Titel: Bis die Daemmerung uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Caine
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musste es schaffen.
    Sie machte einen Schritt auf Gina zu, brachte ihren linken Fuß hinter Ginas Körper und zwischen ihre Füße. Damit hatte sie ihren Unterschenkel in einen günstigen Winkel unter Ginas Knie gebracht.
    Als Gina mit dem Messer nach ihr stach, packte Claire sie am Handgelenk und drehte es nach innen, sodass sie aus dem Gleichgewicht geriet. Gina trat zurück und schrie auf, als Claires gebeugtes Bein ihr die Kraft aus dem Knie nahm.
    Sie fiel auf den Rücken. Claire wand das Messer aus Ginas Hand und ließ sich mit einem Knie auf ihre Brust fallen, um sie am Boden zu halten. Sie erstarrte, als sie auf sie hinuntersah, schwer atmend. Ihr war heiß, dennoch fröstelte sie. Der Impuls kochte in ihr hoch, dieses Messer zu nehmen und etwas Schreckliches damit zu machen. Er schmeckte nach Zorn und Angst und allen anderen schlimmen Dingen, die sie je empfunden hatte. Einen ganz kurzen Moment lang überlegte sie, wie es wohl wäre, wenn sie Gina das alles spüren ließe, wenn sie Gina wehtun würde.
    Ginas Augen wurden groß, während sie sie beobachtete. Sie wusste es. Sie sah es ihr an und zum ersten Mal bemerkte Claire, dass Gina tatsächlich Angst hatte.
    »Genau das habe ich gesehen«, sagte Mirandas leise Stimme neben ihr. »Aber du wirst es nicht tun. Du bist ein guter Mensch.«
    Claire fühlte sich in diesem Moment nicht wie ein guter Mensch. Ihr war elend, deshalb widersetzte sie sich nicht, als Miranda ihr das Messer aus der Hand nahm.
    »Aber ich bin nicht so gut«, sagte Miranda und stieß das Messer nach unten in Richtung Ginas Brust.
    Claire schrie auf und stieß Miranda aus dem Weg – ein fester Bodycheck, durch den Miranda zuerst wankte und dann durchs Gras rollte. Das Messer fiel zu Boden. Gina rangelte danach, aber Claire war schneller, sie hob es auf und verbarg es an ihrer Seite. Gina kam langsam auf die Füße, ihr Atem ging schnell, ihr Kopf war gesenkt. Ihre Angst war jetzt irrsinniger Wut gewichen.
    »Monica«, sagte Claire. »Ruf den Pitbull zurück. Sofort, bevor das hier noch schlimmer wird.«
    Ein paar quälende Sekunden des Schweigens verstrichen, dann sagte Monica: »Gina, mach dich mal locker, du Miststück. Wir bringen das ein andermal zu Ende.«
    »Gib mir mein Messer zurück«, sagte Gina.
    »Ähm … nein.« Claire klappte es zusammen und steckte es in die Tasche ihrer Jeans. »Das Letzte, was du brauchst, ist eine Waffe.«
    »Ich kaufe dir ein neues. Komm jetzt, Gina. Wir gehen.« Jennifer nahm Ginas Arm und zog daran, wobei sie Claire mit einer Mischung aus Angst und Respekt ansah. »Wie Monica schon sagte: Wir regeln das später.«
    Gina zeigte auf Claire. »Du. Dich krieg ich noch.«
    Claire zuckte mit den Schultern. »Versuch es doch.«
    Jennifer zog ihre Freundin weg. Monica hatte sich bereits umgedreht und auf den Weg gemacht. Bevor sie um die Ecke bog, blieb sie stehen; sie drehte sich um und nickte Claire leicht zu.
    Seltsam. Auch das sah fast nach Respekt aus.
    Stille. Claire lauschte dem Wind, dem fernen Gelächter der Studenten jenseits der Bäume und plötzlich konnte sie sich nicht mehr auf den Beinen halten. Sie setzte sich hin, streckte alle viere von sich und stützte die Stirn in die Hände.
    Miranda setzte sich neben sie. »Danke«, sagte sie.
    »Wofür?«
    »Dass du mich aufgehalten hast. Aber du weißt es ja nicht. Du weißt ja nicht, wie das ist.«
    »Wenn man schikaniert wird? Das weiß ich schon.«
    Miranda sah sie traurig und seltsam mitleidig an. »Nein, weißt du nicht«, sagte sie. »Das ist bei mir schon seit dem Kindergarten so. Nicht immer sie, sondern auch andere Kinder, weißt du? Jeden Tag. Es hört nie auf – und dank des Internets passiert es sogar jede Minute, jeden Tag. Ich will einfach nur, dass es aufhört. Ich denke darüber nach, wie ich das erreichen kann. Wie ich sie umbringen kann. Auf alle möglichen verschiedenen Arten, zum Beispiel indem ich sie in ein Grube werfe und lebendig begrabe oder indem ich sie mit Beton übergieße.«
    Das war das Vernünftigste, was Claire sie je hatte sagen hören– und auch das Schmerzlichste. Sie legte ihren Arm um Miranda. Sie hatte erwartet, dass Mir von Nahem nicht besonders gut röche, aber das stimmte nicht: Sie duftete nach Zitronenshampoo und Seife. Wenn man etwas an ihrer Kleidung, ihrem Make-up und ihren Haaren arbeiten würde, wäre sie richtig hübsch.
    Oh Gott, dachte sie belustigt. Eve hat mich angesteckt. Bevor Claire ins Glass House gezogen war, hätte sie niemals über

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