Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
Hause, um einen Bestseller zu schreiben, und kümmere mich um die Kinder.«
»Sie haben Kinder?«
»Ein Mädchen, das noch im Babyalter ist, und einen fünfjährigen Jungen, Molly und Daniel.«
Ich nickte, schlürfte Whisky und fragte mich, wie viel von dem, was er erzählte, wohl stimmte. Er war ein guter Lügner, musste ich zugeben. Und gute Lügner benutzen oft Elemente der Wirklichkeit, um ihre Lügen glaubhafter zu machen. Das heißt, auch wenn ich mit hundertprozentiger Sicherheit wusste, dass er trotz seines überzeugenden Auftritts kein Schriftsteller war, konnte ich nicht mit gleicher Sicherheit sagen, ob er auch das mit seiner Frau und den Kindern erfunden hatte. Ehrlich gesagt wäre ich bei diesem Ausdruck in seinen Augen – dieser kurz aufblitzenden Sehnsucht – bereit gewesen zu wetten, dass es sie wirklich gab. Was allerdings nichts änderte.
Jedenfalls wusste ich immer noch nicht, wer er war.
»Wie heißt das Buch?«, fragte ich.
» Cat Black «, antwortete er.
» Cat Black ?«
Er lächelte. »Wenn man das Buch liest, versteht man den Titel.«
»Na, viel Glück jedenfalls«, sagte ich. »Ich werde die Augen offen halten.« Ich sah ihn an. »Wer weiß, vielleicht lese ich’s sogar.«
Er lachte. »Wenn Sie wollen, schick ich Ihnen eins … mit zehn Prozent Rabatt.«
»Nur zehn? In der Bücherei kann ich’s mir umsonst holen.«
Er stand auf, lächelte und reichte mir wieder den Joint. Es war nicht mehr viel davon übrig, trotzdem zog ich noch ein paar Mal dran und genoss das heiße Brennen des Rauchs in der Kehle.
»Und …«, sagte Allen und rieb sich die Augen. »Was ist mit Ihnen, John? Was treiben Sie? Sie schreiben doch nicht auch ein Buch, oder?«
»Das wär echt verrückt, was?«, antwortete ich. »Wir zwei hier im Hotel, und beide versuchen wir, unser Buch fertig zu kriegen …«
»Ja«, sagte Allen lächelnd. »Und wie stehen die Chancen …?«
»Ich sag Ihnen, was noch verrückter wär«, antwortete ich und drückte den Joint aus. »Wenn ich tatsächlich Schriftsteller wäre und hier im Hotel wohnte, um ein Buch zu Ende zu schreiben, und das Buch, das ich schriebe, würde von einem Autor handeln, der in einem beschissenen alten Hotel auf einer Insel versucht, seinen Roman zu Ende zu schreiben, und plötzlich in dem Hotel einen anderen Autor trifft, der auch versucht, sein Buch zu Ende zu schreiben …«
»Ja«, sagte Allen, »und dann findet einer von ihnen heraus, dass das Buch des andern ein Meisterwerk ist, also bringt er den andern um – «
»Richtig. Und er stiehlt das Buch mit dem Plan, es als seins auszugeben – «
»Doch dann merkt er, dass der Schluss fehlt, und er kann es nicht zu Ende schreiben, weil es ein Meisterwerk ist und er einfach nicht gut genug ist, um ein Meisterwerk zu beenden.«
»Moment«, sagte ich lachend. »Jetzt hab ich den Fadenverloren, wer wer ist. Sind die zwei Schriftsteller die aus dem Roman?«
»Aus welchem Roman?«
»Aus dem, den ich schriebe, wenn ich Autor wäre … und hier wohnte , um mein Buch zu Ende zu schreiben.«
»Was nicht der Fall ist.«
»Nein …«
Allen grinste. »Und?«
»Und was?«
Er lachte. »Was machen Sie jetzt hier?«
»Ach so, richtig … ja … was mache ich hier? Gute Frage.« Ich zündete eine Zigarette an und blies den Rauch aus. »Die Antwort ist ziemlich langweilig … ich pausiere irgendwie bloß.« Ich seufzte. »Eigentlich wollte ich für zwei Wochen mit meiner Freundin nach Cancún fliegen, wir hatten alles seit Monaten gebucht, aber dann haben wir uns vor drei Wochen getrennt und ich hatte schon Urlaub genommen, also hatte ich zwei Wochen Zeit, ohne zu wissen, wohin.«
»Wieso sind Sie nicht trotzdem nach Cancún geflogen?«
Ich grinste. »Wollte ich ja, aber meine Freundin auch, und zusammen fliegen kam nicht infrage. Also haben wir geknobelt.«
»Und sie hat gewonnen?«
»Yep.«
»Aber trotzdem … Sie hätten doch was Besseres finden können als das hier.«
Ich zuckte die Schultern. »Ja, hab ich auch gedacht. Ich habe mir auch Verschiedenes überlegt – Spanien, Ibiza, Italien, Griechenland … Aber alles schien so scheiß sonnig und fröhlich, verstehen Sie? Und plötzlich wurde mir klar, dass ich nicht in der Stimmung für Sonne und fröhliche Gesichter war …«
»Also sind Sie hier gelandet?«
»Ja«, sagte ich grinsend. »Ganz schön erbärmlich, was?«
»Sehr erbärmlich.«
»Danke.«
Er lächelte. »De nada.«
»Ich war als Kind oft hier«, erzählte ich. »Mit meiner
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