Bis euch der Pfähler holt!
schleifte er über das Geländer.
Seit Maries Tod hatte er in diesem Haus nichts verändert. Alles war so geblieben, und er hielt sich in den oberen Räumen so wenig wie möglich auf. Oft schlief er auch unten, da betrat er das ehemalige gemeinsame Schlafzimmer erst gar nicht.
Mit dem Fuß stieß er die Tür auf, lauschte den knarrenden Geräuschen und schaute in das kleine Schlafzimmer.
Es war leer.
Die Betten zeigten einen leichten Staubansatz. Es war kalt hier oben, und nicht alle Eisblumen waren an den zwei kleinen Fenstern abgetaut.
Als Teppich diente ein dünner Filz über den Holzbohlen, die sich schon bemerkbar machten, als sie das Gewicht des Mannes spürten. Marek hörte das leise Knarren und ging mit vorsichtigen Schritten weiter Er schaute unter dem Bett nach, im Schrank ebenfalls, wo noch die Kleidung seiner Frau hing, sich jedoch niemand versteckt hielt. Dann blickte er aus dem Fenster nach draußen.
Keiner war da.
Marek zog sich wieder zurück. Er verließ das Schlafzimmer und schaute in den anderen Räumen nach. Es gab hier oben noch zwei, aber die verdienten den Namen Zimmer nicht, weil sie nicht größer waren als Kammern. Sie waren eigentlich für Gäste hergerichtet, denn in jeder dieser Kammern stand ein altes Feldbett.
Leer, leer, leer…
Der Pfähler stöhnte auf. Er steckte die Waffe weg, saugte die kalte Luft ein, ging wieder in den schmalen Flur und lehnte sich dort an die Wand.
Horak war hier an seinem Haus gewesen. Er hatte den Wagen manipuliert. Kein anderer kam in Frage, aber hatte er es dabei nur belassen wollen, oder war er einen Schritt weiter gegangen?
Diese Frage mußte sich Marek einfach stellen. Eine Antwort konnte er nicht geben, denn dieser Hundesohn hatte keine einzige Spur hinterlassen.
Ein Begriff geisterte Frantisek durch den Kopf, der in der letzten Zeit modern geworden war.
Psycho-Terror!
Genau das war das Problem. Um einen Menschen fertigzumachen, ging man langsam und methodisch vor. Man baute Stein auf Stein, man hinterließ Spuren, die nicht zu übersehen waren, machte den zu Verfolgenden nervös und wartete auf einen Fehler, der bei einem nervösen Menschen zwangsläufig eintreten mußte.
Marek ging die Treppe hinab. Er lief der Wärme entgegen, die die Glut im Kamin abstrahlte. Dabei überlegte er, wo er noch suchen konnte. Es gab da einen Anbau, wo er auch seine Werkstatt untergebracht hatte.
Dort konnte sich jemand für Wochen verborgen halten, ohne daß es auffiel. Es lag einfach zu viel Gerumpel herum.
So weit brauchte Marek erst nicht zu gehen.
Schon auf der drittletzten Treppenstufe stehend sah er die Gestalt, die an seinem Tisch saß. Auf dem Tisch stand noch eine Flasche mit dem Selbstgebrannten Wacholderschnaps, und das klobige Glas hatte seinen Platz daneben gefunden.
Das alles interessierte Marek nicht. Er hatte nur Augen für die unbekannte Frau, die ihm entgegenstarrte, und Marek ging davon aus, daß er Besuch von einem weiblichen Vampir bekommen hatte…
***
Nur für einen Moment hatte er gezögert. Eben so lange wie die Überraschung gedauert und sich sein klopfendes Herz beruhigt hatte.
Die Beklemmung war verschwunden, er wußte jetzt, wen er vor sich hatte, auch wenn er das Gesicht und den topf noch nicht so wahrnahm, weil ein Großteil von der dunklen Kapuze bedeckt war.
Er ging weiter, und seine Sohlen schleiften dabei über die Stufen hinweg. Die letzte Stufe ließ er hinter sich und bewegte sich direkt auf den Tisch zu.
Zwei Stühle standen sich dort gegenüber. Der eine war besetzt, der andere war frei.
Die unwillkommene Besucherin sagte kein Wort. Sie saß dort wie ein starres Gespenst, das Gesicht gesenkt, als würde sie darauf warten, daß jemand kam und sie erlöste. Marek nahm ebenfalls Platz. Den Mantel ließ er an und auch offen. Er nickte der Frau über den Tisch hinweg zu und sprach sie mitleiser Stimme an. »Wer bist du?«
Die Person reagierte nicht.
Marek wiederholte seine Frage. Dabei zog er den Eichenpflock hervor und legte ihn auf seine Knie. »Ich will wissen, wer du bist und warum du hiereingedrungen bist.«
Sie gab keine Antwort, aber sie hob den Kopf an, so daß Marek ihr Gesicht sehen konnte. Es war ein sehr bleiches Gesicht, noch jung, aber trotzdem irgendwo alt aussehend, wahrscheinlich deshalb, weil es so blaß und gleichzeitig aschig aussah. Irgend etwas fehlte, um dieser Haut wieder Kraft zu geben, und Marek konnte sich auch vorstellen, was es war – Blut. Das Blut der Menschen.
Die Frau
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