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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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teilten sich ein Zimmer. Ginnys Zimmer lag
gegenüber. Die Türen hatten keine Schlösser, doch die Mentorin würde wohl erst
nach dem Abendessen durchzählen, wenn alle anwesend sein und ihre Hausaufgaben
machen mußten. Jack wurde angewiesen, sich auf ein Bett zu legen. Er machte
wohl ein ängstliches Gesicht, denn Emma beugte sich über ihn und flüsterte:
»Keine Sorge, Zuckerbär, ich werde nicht zulassen, daß eine dich anrührt.« Aber
Jack befand sich in Gesellschaft von Mädchen, die älter waren als Emma; er
hatte Angst.
    »Welche von uns sieht am besten aus, Jack?« fragte Ginny Jarvis. Sie
stellte die Frage in gleichgültigem Ton, als hätte sie sich bereits damit
abgefunden, daß sie nicht seine erste Wahl sein [298]  würde. Penny Hamilton
starrte ihn mit beängstigendem Selbstvertrauen an. Bonnie Hamilton schlug die
Augen nieder; sie stand mit vorgeschobenem linken Fuß in einiger Entfernung vom
Bett.
    »Ich finde, Bonnie ist schön«, sagte Jack.
    »Seht ihr?« sagte Ginny zu den versammelten Mädchen. »Man weiß nie,
was Männern oder Jungs gefällt.« Jack merkte, daß er Penny mit seiner Wahl
wütend gemacht hatte, und unter den gegebenen Umständen machte ihm das noch
mehr angst. »Geh näher hin, Bonnie«, sagte Ginny, »damit er mehr von dir
sieht.«
    Bonnie hinkte zum Bett. Jack fürchtete schon, sie werde auf ihn
fallen, doch sie sank neben ihm auf die Knie und stützte sich dabei mit beiden
Händen auf seiner Brust ab. Sie sah ihn noch immer nicht an. Sie kniete neben
ihm, die Hände auf den Oberschenkeln, und starrte auf seinen Schoß, als wartete
sie, ganz die Souffleuse, darauf, daß irgend jemand seinen Text vergaß. Jack
war plötzlich zu schüchtern, um sie anzusehen, weil Bonnie ihren Blick gesenkt
hielt. Er spürte, daß Ginny Jarvis seinen Rock hob und ihm die Unterhose
auszog. Er nahm zumindest an, daß es Ginny war – Penny Hamilton jedenfalls war
offenbar so sauer auf ihn, daß sie jedes Interesse an ihm verloren zu haben
schien. Keine von ihnen berührte ihn. »Der ist ja wirklich klein«, sagte Penny,
als Ginny seinen Kleinen freigelegt hatte.
    »Na, mal sehen«, sagte Ginny.
    »Was ist los?« fragte Jack Emma.
    »Nichts, Zuckerbär. Keine Sorge.«
    » Weniger als nichts«, sagte Penny
Hamilton.
    »Er hat Angst. Das dürft ihr nicht«, sagte Bonnie Hamilton. »Er ist
noch zu klein, er ist doch bloß ein Kind!« Sie beugte sich über Jack. Als sie
ihn ansah, war es, als läse sie als Souffleuse einen Text, als stünde in seinem
Gesicht der einzige gültige Plan der sich entwickelnden Geschichte und als wäre
sie, Bonnie Hamilton, die einzige, die genau über Jacks Gefühle Bescheid wisse.
    [299]  Bonnies Hinken bewirkte, daß Jack sie ansah und sich den Unfall
vorstellte. Es war seine erste Einsicht in die Tatsache, daß körperliches
Verlangen und auch sexuelles Begehren nicht unbedingt durch die Vollkommenheit
eines Körpers oder die Schönheit eines Gesichtes geweckt werden. Er fühlte sich
zu Bonnies Vergangenheit hingezogen, zu allen
traumatischen Situationen, denen sie ausgesetzt gewesen war, als sie sich noch
nicht gekannt hatten. Jack fühlte sich durch den Unfall, der sie zum Krüppel
gemacht hatte, zu ihr hingezogen. Das war schlimmer als das, was Emma ganz
richtig als sein Ältere-Frauen-Ding diagnostiziert hatte. Er fühlte sich zu der
Art hingezogen, wie Bonnie beschädigt worden war;
ihre Verletzung machte sie nur begehrenswert. Dieser Gedanke war so
beunruhigend, daß Jack zu weinen begann.
    »Ich hab genug von Penissen«, sagte Ginny Jarvis.
    »Vielleicht schläft er oder so«, vermutete Penny Hamilton.
    »Laß dir von denen nicht angst machen, Jack«, sagte Bonnie Hamilton.
    Er war überrascht, daß sie diejenige war, die ein entsetztes Gesicht
machte – als wäre sie auf dem Beifahrersitz gefangen und sähe die bevorstehende
Kollision Sekunden vor dem Fahrer. Sie biß sich auf die Unterlippe und starrte
Jack wie gebannt an, als wäre er der bevorstehende
Unfall und als wäre sie, obgleich sie ihn kommen sah, nicht imstande, sich
abzuwenden. »Was ist?« fragte er sie. »Was siehst du?« Tränen traten in ihre
Augen.
    »Mach ihn nicht naß, Bonnie. Du bist
diejenige, die ihm angst macht«, sagte Penny Hamilton.
    »Aber irgendwas wirkt«, meldete Ginny Jarvis. »Vielleicht das
Weinen.«
    »Heul doch – mir macht das überhaupt nichts aus«, sagte Penny zu
ihrer Schwester.
    »Wenn Jack Angst hat, sollten wir lieber aufhören«, sagte Emma.
    [300]  »Ich

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