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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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die grauen Felsen und das dunkelblaue Meer sah,
wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß irgend etwas nicht in Ordnung war.
    »No, no, no, it ain’t me, babe«, sang
Emma, »it ain’t me you’re lookin’ for, babe.«
    Jack dachte ständig daran, wie es wäre, von Mr. Ramsey nach Maine
gebracht zu werden; auch das versetzte ihn in eine gewisse Stimmung. Er war
erfüllt von Selbstmitleid – ein fruchtbarer Boden für schlechte Träume. Bob Dylan
sang noch, als Jack einschlief. Er träumte, seine Mutter und Mrs. Oastler seien
nach Hause zurückgekehrt, bevor Emma gekommen und ihm seinen Gutenachtkuß
gegeben hatte. Er lag da und fragte sich, wer wohl zuerst kommen würde, um ihn
zu küssen – Emma oder seine Mutter. Aber natürlich war es nur ein Traum: Er
träumte, er liege wach im Bett.
    Bob Dylan sang noch immer, jedenfalls in Jacks Traum: »Perhaps it’s the color of the sun cut flat / And cov’rin’ the
crossraods I’m standing at, / Or maybe it’s the weather or something like that,
/ But mama, you been on my mind.«
    Jemand kam in Jacks Zimmer. Er schlug die Augen auf, um zu sehen, ob
es Emma oder seine Mutter war, doch es war Leslie Oastler, und sie war nackt.
Sie schlug die Decke zurück und legte sich zu ihm. Weil sie so klein war, hatte
sie im Bett mehr Platz, als Mrs. Machado je gehabt hatte, und sie roch auch
besser. Sie machte ein Geräusch ganz hinten in der Kehle – es war eine Art
Knurren, als wäre sie wild und ungezähmt, als könnte sie ihn beißen. Ihre
langen, lackierten Fingernägel kratzten über Jacks Brust und huschten über
seinen Bauch. Ihre kleine Hand schob sich wieselflink in seine Hose. Einer der
Nägel kratzte seinen [345]  Penis, zufällig an einer Stelle, wo sein Kleiner wund
war. Jack zuckte zusammen.
    »Was ist los – magst du mich nicht?« flüsterte Leslie ihm ins Ohr.
Ihre kleine Hand schloß sich um seinen Penis. Er lag wie gelähmt in Mrs.
Oastlers Umklammerung.
    »Doch, ich mag Sie schon – aber mein Penis tut weh!« wollte Jack
sagen, doch er brachte kein Wort heraus. (Im Traum war er immer sprachlos – er
konnte einfach nicht sprechen.)
    Jack spürte, daß sein Kleiner in Mrs. Oastlers Hand größer wurde.
Mrs. Oastlers Hände sind größer als meine, dachte er, während im Hintergrund
Bob Dylan sang. »It don’t even matter to me where you’re
waking up tomorrow«, sang Emma mit, »but mama, you’re
just on my mind.«
    »Wo Mister Penis jetzt hingeht, tut es nicht weh«, flüsterte Mrs.
Oastler.
    Aber wie konnte Leslie von Mister Penis wissen? Und woher wußte sie,
daß sein Penis weh tat, wenn er doch gar nicht sprechen konnte? »Was haben Sie
gesagt?« versuchte Jack zu fragen, konnte aber seine Worte nicht hören, sondern
nur die von Mrs. Oastler, die sich wiederholte.
    Ihre Stimme hatte sich verändert. Der harte, dünne Körper, der sich
an Jack preßte, war eindeutig der von Mrs. Oastler, aber die Stimme war die von
Mrs. Machado – oder eine perfekte Imitation. »Wo Miiiester Penis jetzt hingeht,
tut es nicht weh.« (Jack war erstaunt, daß sie ihn nicht »mein Liebling« nannte.)
    »Bitte nicht. Mein Penis tut wirklich weh. Lassen Sie mich, bitte«,
wollte Jack sagen. Aber wenn er sich nicht hören konnte, wie sollte Mrs.
Oastler ihn dann hören? (Er wußte, es war sinnlos zu hoffen, daß seine Mutter
ihn hörte oder daß sie, falls es so war, kommen und ihn retten würde.)
    Wenn Bob Dylan endlich zu Ende gesungen hatte, würde Emma ihn
vielleicht hören und ihm zu Hilfe eilen, dachte Jack. Die Musik war verstummt,
aber das hieß nicht, daß Bob Dylan [346]  fertig war. Mrs. Oastler schnaufte ihm derart
ins Ohr, daß sie Bob Dylan auch dann übertönt hätte, wenn er in Jacks Zimmer
gestanden und aus Leibeskräften gesungen hätte.
    »Du vergißt schon wieder zu atmen, Zuckerbär«, hörte er Emma sagen.
Er hatte gedacht, es sei Mrs. Oastler, die ihn küßte, doch es war Emma. »Du
kannst mich ruhig küssen, aber du darfst dabei nicht aufhören zu atmen.«
    »Ich hab geträumt«, sagte er.
    »Sag bloß! Du hast an deinem Pimmel herumgezerrt, Süßer – kein
Wunder, daß er weh tut.«
    »Aha.«
    »Zeig ihn mir mal, Jack«, sagte Emma. »Wollen mal sehen, was da los
ist.«
    »Nichts ist los«, sagte Jack. (Er schämte sich, ihr seinen lädierten
Penis zu zeigen.)
    »Jack, Herrgott – ich bin’s! Ich werde dir doch nicht weh tun!«
Sowohl das Badezimmerlicht als auch die Nachttischlampe waren eingeschaltet.
Emma musterte Mister Penis eingehend.

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