Bis ich dich finde
den kleinen Finger ihrer rechten Hand und bog ihn um, bis er brach und
rechtwinklig zum Handrücken stand. Mrs. Machado schrie wie am Spieß.
Emma setzte einen Kopfpreßgriff an, schob Mrs. Machados Kopf nach
vorn und wechselte zur Kopfklammer – ohne Arm. Sie
drückte mit ihrem ganzen Gewicht auf Mrs. Machados Hinterkopf, und da sie den
Unterarm um Mrs. Machados Kehle gelegt hatte, bekam diese keine Luft mehr.
Erst jetzt wurde Jack bewußt, daß Krung ebenfalls da war. Vielleicht
wurde der ehemalige Mr. Bangkok auf den Kampf aufmerksam, weil Emma und Mrs.
Machado von der Matte gerollt waren. Emma ließ nicht locker. Mrs. Machado bekam
keine Luft, doch sie strampelte mit den Beinen.
»Wer ist die Neue?« fragte Krung Tschenko.
»Sie lernt schnell, nicht?« sagte Tschenko. Emma hatte in weniger
als zehn Sekunden drei Regelverstöße begangen – schneller konnte man nicht
lernen. Kein Wunder, daß sie die Regeln wissen wollte!
»Willst du nicht eingreifen?« fragte Krung.
[355] »Gleich«, sagte Tschenko. Mrs. Machado lag flach auf dem Bauch.
Ihre Beine strampelten nicht mehr, nur ein Fuß zuckte schwach. Zu Kicks in den
Unterleib war sie vorerst nicht imstande.
»Ich glaube, das reicht jetzt«, sagte Tschenko zu Jack. Er kniete
sich neben die beiden und nahm Emma in einen Dreiviertelnelson. »Ihr macht euch
keine Vorstellung, wie ich an ihr zerren mußte, bis sie diese Kopfklammer
gelöst hat«, sagte er am Nachmittag zu Boris und Pawel, als er ihnen Jacks neue
Trainingspartnerin vorstellte.
Mrs. Machado sagte kein Wort. Als sie die Sporthalle an der Bathurst
Street verließ – und das tat sie, sobald sie wieder stehen und gehen konnte –,
schmerzte ihre Kehle so sehr, daß sie kein Wort herausbrachte. Was man von Emma
nicht behaupten konnte. Als sie sagte, Mrs. Machado sei »nicht gerade eine
Braut auf Bestellung«, fühlte diese sich vermutlich nicht getroffen, doch als
Emma ihr nachrief, sie, Emma, sei jetzt »Jacks einzige Trainingspartnerin«, begriff Mrs. Machado sehr wohl, was sie meinte. Aber wie
auch immer sie es verstand – Tschenko und Krung waren
gehörig beeindruckt, wenn auch ein wenig besorgt um Jack.
Mr. Bangkok versuchte, Emma für Kickboxen zu interessieren, doch sie
lehnte dankend ab. »Ich trete nur ungern gegen Sachen, die nicht auf dem Boden
liegen«, erklärte sie Krung, der letztlich einigermaßen erleichtert, ja
geradezu dankbar war, daß sie sich auf Ringen beschränkte.
Als Boris und Pawel am Nachmittag zum Training kamen, wälzte sich
Emma auch mit ihnen herum. Jack brauchte eine Pause. Er hatte eine
Mattenschürfung auf der Wange, und seine Schulter schmerzte – Tschenko hatte
Emma den Achselwurf gezeigt, der wie geschaffen für sie schien. Außerdem hatte
Jack sein erstes Blumenkohlohr.
Als Emma sah, daß Boris’ und Pawels Blumenkohlohren [356] beinahe so
schlimm waren wie die von Tschenko, bestand sie darauf, daß Jacks Ohr behandelt
wurde. Es war Jack neu, daß man ein Blumenkohlohr behandeln konnte, doch obwohl Tschenko und die Minskies eigentlich nichts davon hielten,
wußten sie, wie man ein Ringerohr punktiert.
»Tut mir leid, Zuckerbär – das tut jetzt zwar weh, aber es wäre
geradezu ein Verbrechen, dich mit Ohren wie diese armen Kerle hier herumlaufen
zu lassen. Du wirst mal so gut aussehen, daß man deine Zukunftsaussichten nicht
durch Ohren gefährden sollte, die wie ein Haufen Hundescheiße aussehen.«
Jack merkte, daß Tschenko, Boris und Pawel beleidigt waren. Ihre
Blumenkohlohren waren nicht Hundescheiße, sondern Ehrenzeichen. Doch Emma
Oastler hatte beschlossen, sich um Jacks Zukunft zu kümmern, und nichts und
niemand würde sie davon abhalten.
Ein sogenanntes Blumenkohlohr ist die Folge eines
Flüssigkeitsstaus: Wenn das Ohr an der Matte oder dem Gesicht des Gegners
reibt, kommt es zu einem Bluterguß, und die Ohrmuschel schwillt an. Wenn das
Blut sich verfestigt, entsteht eine Verdickung, wo bisher eine Einwölbung war.
Das Entscheidende ist, die Verfestigung der Flüssigkeit zu vermeiden. Man
punktiert den Bluterguß mit einer Injektionsspritze. Dann nimmt man etwas
Verbandsmull, taucht ihn in angerührten Gips und drückt ihn in die Ohrmuschel.
Wenn der Gips fest wird, kann das Ohr nicht anschwellen, und seine
ursprüngliche Form bleibt erhalten.
»Es ist ein bißchen unangenehm«, warnte Tschenko den Jungen.
»Besser als ein wunder Pimmel, Zuckerbär.« (In diesem Punkt gaben
die Minskies ihr vollkommen recht.) Und so ging Jack mit
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