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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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einziges Mal.«
    Emma fragte den Mistkerl. »Lawrence sagt, Myra hat nicht mal mehr
ein Büro.«
    »Klingt perfekt«, sagte Jack.
    Emma übermittelte Lawrence Jacks Einschätzung. »Er sagt, du sollst
auf keinen Fall ihre Schwester erwähnen.«
    »Ich weiß«, antwortete Jack. »Myra, nicht Mildred. Ich weiß, ich
weiß.«
    Als Jack in dieser Nacht vom American Pacific nach Hause kam,
waren drei Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Er befürchtete, eine davon
könnte von einer Hausfrau im Benedict Canyon sein, mit der er gevögelt hatte.
Die Frau war verrückt. Sie behauptete, von ihrem Schlafzimmer aus sei ein Teil
des Anwesens am Cielo Drive zu sehen, wo Sharon Tate ermordet worden war, doch
Jack sah nichts dergleichen. Sie sagte, wenn der Santa-Ana-Wind wehe, könne sie
die Schreie und das Stöhnen von Miss Tate und den anderen Opfern hören, als
würde die Tat in diesem Augenblick begangen.
    Sie rief Jack häufig an, um vereinbarte Rendezvous zu verschieben.
Der Grund hatte gewöhnlich irgend etwas mit ihrem Mann oder den Kindern zu tun,
doch das letzte Mal war es um [505]  den Familienhund gegangen. Das unglückselige
Tier habe irgend etwas gefressen, das es nicht hätte fressen sollen, und die
Komplikationen seien so gravierend, daß der Tierarzt einen Hausbesuch machen
wolle.
    Emma sagte, Jack solle lernen, zwischen den Zeilen zu lesen:
Offensichtlich habe die Hausfrau auch eine Affäre mit dem Tierarzt. Emma liebte
es, die Ausreden zu hören, die die Frau aus dem Benedict Canyon erfand, um
nicht mit Jack zu schlafen oder den ehebrecherischen Akt wenigstens auf später
zu verschieben. Aber Emma hatte geschrieben und war nicht ans Telefon gegangen.
Sie und Jack hörten sich die Nachrichten gemeinsam an, nachdem er nach Hause
gekommen war.
    Sowohl Lawrence als auch Rottweiler sagten, sie hätten mit Myra
Ascheim gesprochen und ihr empfohlen, ihn anzurufen; sie hätten ihr Jacks
Telefonnummer gegeben. Die dritte Nachricht war von Myra. Ihre Stimme war der
ihrer Schwester besorgniserregend ähnlich. Anfangs dachte Jack, es sei Mildred,
die sich noch ein wenig über seinen kleinen Penis lustig machen wollte.
    »Zwei Leute, beide Arschlöcher, haben mich angerufen und mir gesagt,
ich soll mich mit Ihnen in Verbindung setzen«, begann Myra Ascheims Nachricht.
»Also wo zum Teufel sind Sie, Jack Burns?«
    Das war alles. Nicht sehr elegant, und sie hatte nicht einmal ihre
Telefonnummer hinterlassen. Jack erkannte ihre Stimme nur, weil er Milly
bereits kennengelernt hatte. (Es war eine Stimme, in der mehr Brooklyn als L.A. steckte.)
    Emma bemerkte Jacks Niedergeschlagenheit, während er die drei
Nachrichten ein ums andere Mal abspielte. Es schien ihn zu schmerzen, daß die
verrückte Hausfrau aus dem Benedict Canyon nicht angerufen hatte. Nur Emma
kannte Jack gut genug, um zu erahnen, daß ihm, obwohl er erleichtert war, diese
Beziehung zu Ende gehen zu sehen, die Verrücktheit der Frau fehlte.
    [506]  Emma Oastlers erster Roman hieß Die
Schundleserin. Die Handlung beruhte fast ganz und gar auf den
Erfahrungen, die sie in ihrem Job gemacht hatte, auch wenn »Schundleserin« nicht
der offizielle Name dafür war. (Mit ungewöhnlicher Zurückhaltung und als sei
ihre Tätigkeit für die gesamte Branche unerläßlich, bezeichnete das Studio sie
als »Erstleserin« – womit sie ein Teil jenes Prozesses war, den man
»Drehbuchentwicklung« nannte.)
    Emma las nicht nur unverlangt eingesandte Manuskripte, sondern auch
Drehbücher, die von weniger bekannten Agenten eingereicht worden waren, und hin
und wieder auch mal eins von einem berühmten Drehbuchautor, dessen Agent das
Studio über den Tisch gezogen hatte. Nur sehr wenige Drehbücher wurden
schließlich produziert – und die meisten davon hatten bedeutendere Erstleser
als Emma, doch auch diese Drehbücher bekam sie irgendwann auf den Tisch.
    Was Emma an ihrem Job störte, war nicht die Tatsache, daß sie so
viele Drehbücher lesen mußte oder daß die meisten so schlecht geschrieben
waren. Emmas Groll richtete sich hauptsächlich gegen die Studiobosse, die ihre
Beurteilungen, nicht aber die Drehbücher selbst lasen. Sie stellte fest, daß
sie bei der Mehrheit der Drehbücher die einzige Leserin war. Das führte dazu,
daß sie selbst bei schlechten Drehbüchern übermäßig nachsichtig war, denn sie
wollte nicht der einzige Grund sein, warum ein Film nicht produziert wurde,
auch wenn ihr häufigstes Urteil über die Filme, die sie sah, lautete, man hätte
sie am besten

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