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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sie erst noch finden, und William war bereits
verschwunden. Aber Alice war überzeugt, daß William keinen Hafen verlassen
würde, ohne sich zuvor tätowieren zu lassen, und irgendwo in Stockholm gab es
mindestens einen guten Tätowierer. Es konnte ja sein, daß Doc Forest wußte,
wohin William gefahren war. Jemand, der sich eine komplizierte Tätowierung
stechen läßt, redet gern, und sei es nur, um sich von den Schmerzen abzulenken.
    Während sie versuchten, Doc Forest zu finden, hatte Alice eine
Menge Ausgaben. Sie und Jack wohnten im Grand Hotel, dem besten Hotel in
Stockholm. Ihr Fenster ging auf die Altstadt und den Hafen, wo die Fährboote
anlegten, welche die Verbindung zu den Schären darstellten. Jack erinnerte
sich, daß er auf einem dieser Boote posiert hatte, als wäre er der Kapitän, im
Begriff, an Land zu gehen. Er wußte, daß das Hotel teuer war, denn das hatte
seine Mutter auf einer Postkarte an Mrs. Wicksteed geschrieben, die sie ihm
vorgelesen hatte. Aber Alice hatte einen Plan.
    Das Grand Hotel war in der Nähe der Oper und des Theaters, man traf
sich dort zu Drinks und Diner. Geschäftsleute nahmen auch ihr Frühstück oder
Mittagessen im Hotel ein. Und die Hotelhalle war sowohl größer als auch weniger
düster als die des D’Angleterre. Jack lebte in dieser Halle, als wäre das Hotel
sein Schloß und er selbst der kleine Prinz.
    Alice’ Plan war einfach, aber für eine Weile funktionierte er. Sie
und Jack besaßen nur wenige präsentable Kleider, und sie trugen sie täglich –
dementsprechend hoch war ihre Wäscherechnung. Wenn sie morgens ein gewaltiges
Frühstück verzehrten, sahen sie keineswegs nach ambulantem Gewerbe aus. Das
Frühstück vom Büffet war im Zimmerpreis inbegriffen und ihre [61]  einzige
richtige Mahlzeit des Tages. Während sie sich vollstopften, hielten sie unter
den wohlhabenden Gästen, die ebenfalls frühstückten, nach denen Ausschau, die
vielleicht bereit waren, sich tätowieren zu lassen.
    Das Mittagessen ließen sie ausfallen. Im Grand Hotel aß man meist in
Gesellschaft zu Mittag, und Alice wußte, daß die Entscheidung für eine
Tätowierung eine war, die man allein treffen mußte. (Man beschloß nicht, sich
für den Rest des Lebens zeichnen zu lassen, wenn Kollegen oder Freunde dabei
waren; meist versuchten sie dann, es einem auszureden.)
    Am frühen Abend ging Jack allein auf ihr Zimmer und aß etwas Obst
und Aufschnitt, während seine Mutter sich in der Bar nach potentiellen Kunden
umsah. Später, wenn Jack bereits im Bett lag, setzte sie sich in den Speisesaal
und bestellte die billigste Vorspeise. Im Grand Hotel aßen viele Gäste allein
zu Abend. Nach Alice’ Einschätzung waren sie »Geschäftsreisende«.
    Ihre Masche war immer dieselbe. »Haben Sie eine Tätowierung?« (Sie
konnte den Satz sogar auf schwedisch: »Har ni någon
tatuering?« )
    Wenn die Antwort ja lautete, fragte sie: »Ist sie von Doc Forest?«
Doch niemand hatte von ihm gehört, und die Antwort auf die erste Frage war
gewöhnlich nein.
    Wenn ein potentieller Kunde sagte, er habe keine Tätowierung,
stellte Alice die nächste Frage – erst auf englisch, dann, wenn es sein mußte,
auf schwedisch: »Wollen Sie eine?« (»Skulle ni vilja ha
en?«)
    Die meisten wollten nicht, aber einige sagten vielleicht. Ein Vielleicht reichte Alice – sie wollte bloß ihren hübschen
Fuß in der Tür haben.
    Wenn Jack nicht einschlafen konnte, sagte er den kompletten Dialog
auf – das funktionierte besser als an Lottie zu denken oder Schafe zu zählen.
Vielleicht wurde Jack Burns Schauspieler, weil er diesen Text niemals vergaß.
    [62]  »Wenn Sie Zeit haben – ich habe ein Zimmer und alles, was man
braucht.« (»Om ni har tid, jag har ett rum och allt som
behövs.«)
    »Wie lange dauert das?« (»Hur lång tid tar det?«)
    »Das kommt darauf an.« (»Det beror på.«)
    »Was kostet es?« (»Vad kostar det?«)
    »Das kommt auch darauf an.« (»Det beror också
på.«)
    Viel später dachte Jack eines Tages an den Satz: »Wenn Sie Zeit
haben – ich habe ein Zimmer und alles, was man braucht.« Waren diese
Geschäftsreisenden, die Alice allein ansprach, denn nie im Zweifel über ihre
Absichten? Die einzige Frau, die sagte, sie wolle eine Tätowierung, wollte in
Wirklichkeit etwas ganz anderes. Sie war nicht nur sehr überrascht, in Alice’
Hotelzimmer einen Vierjährigen vorzufinden, sondern verlangte auch, er solle
hinausgehen.
    Alice weigerte sich, Jack hinauszuschicken. Die Dame, die weder

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