Bis ich dich finde
der Fischmann diesen Augenblick
seit fast dreißig Jahren fürchtete! »Okay, okay. Dann wollen wir mal, Jack.«
Weil William glaubte, daß die Nachricht Alice vielleicht endlich dazu bringen würde, ihn in Ruhe zu lassen – ganz zu
schweigen davon, daß er hoffte, Alice würde ihm wenigstens gelegentlich
erlauben, seinen Sohn zu besuchen –, schrieb er ihr nach Toronto, daß er sich
verlobt habe. Die Glückliche war die Tochter des Kommandanten des Kastellet,
der Zitadelle Frederikshavn, wo William Burns Schüler von Anker Rasmussen, dem
Organisten der Kastelskirken, war.
Jack meinte sich zu erinnern, daß Herzensbrecher ihm und seiner
Mutter erzählt hatte, William habe ein Verhältnis mit der jungen Ehefrau eines Militärs, dabei war William Burns in
Wirklichkeit mit der Tochter eines Militärs verlobt
gewesen. Es hatte keine junge Ehefrau gegeben; wenn Jack von einer solchen
gehört hatte, dann hatte seine Mutter ihm von ihr erzählt, nicht Lars. Alice
war mit Jack nach Kopenhagen gekommen, um diese Heirat zu verhindern.
Der Kommandant hieß Hans Henrik Ringhof. Er war Oberstleutnant. Er
liebte William wie einen Sohn, erfuhr Jack von Lars Madsen. Oberstleutnant
Ringhof hatte einen jungen [731] Sohn, Niels, der zwölf war und auf die Dreizehn
zuging. Niels’ ältere Schwester Karin – Williams Verlobte – liebte ihn abgöttisch.
William gab ihm Orgelunterricht. Niels war ein ziemlich begabter Pianist. Karin
war eine versierte Organistin; ihre verstorbene Mutter war Musikerin gewesen.
Oberstleutnant Ringhof hatte seine Frau bei einem Autounfall verloren. Die
Familie war auf der Rückfahrt von einem Sommerurlaub auf Bornholm gewesen, als
der Unfall passierte.
Sie seien eine wunderbare Familie, schrieb William an Alice – er
habe das Gefühl, er heirate sie alle. Wenn Jack erst einmal auf die Schule
gehe, werde seine Mutter hoffentlich erlauben, daß der Junge einen Teil der
Weihnachtsferien in Kopenhagen verbringe. William glaubte, Jack werde die
Atmosphäre in der winterlichen Zitadelle anregend finden. Es gebe
Weihnachtskonzerte, und welcher Junge fände es nicht spannend, in einer Festung
mit lauter Soldaten zusammenzusein?
»Aber deine Mutter hatte ihre eigenen Vorstellungen«, sagte
Herzensbrecher-Madsen zu Jack.
Bald sahen sich Oberstleutnant Ringhof und seine Tochter
verschiedentlich dem Anblick von Alice ausgesetzt – und auch, von fern, dem
Anblick von Jack, wie sie ihn seinem Vater schon in Toronto gewährt hatte. Für
Alice hatte sich nichts geändert. »Behalte mich oder verliere Jack – das war
ihr Grundsatz«, wie es Herzensbrecher formulierte.
In Kopenhagen fügte Alice den Bedingungen, die sie William aufzwang,
eine neue hinzu: Wenn er seinen Sohn sehen wolle, müsse er seine Verlobte
mitbringen. Sie müsse Jack ebenfalls sehen. Natürlich
war es Alice, die sich Karin Ringhof ansehen wollte, aber Karin fügte sich; sie
liebte William und teilte seine Hoffnung, daß Alice dem Jungen eines Tages
erlauben würde, Zeit mit seinem Vater zu verbringen.
Außerdem, erfuhr Jack von Lars, versuchte Alice die einzigen Männer
in Williams Leben, die ihm wichtig waren, zu [732] verführen. Anker Rasmussen, der
Organist, war über ihr Verhalten mit Recht entsetzt – er weigerte sich, sie zu
empfangen. Oberstleutnant Ringhof, der Witwer, der William beinahe wie seinen
eigenen kleinen Jungen liebte, war ebenfalls entsetzt. Er versuchte, vernünftig
mit Alice zu reden, doch vergebens. Ganz bestimmt schlief er nicht mit ihr.
»Es herrschte eine Pattsituation«, teilte Herzensbrecher-Madsen Jack
mit. »Dann bist du in den Kastelsgraven, den verdammten Schloßgraben,
gefallen.«
»Was hatte das denn damit zu tun?« fragte Jack.
»Der Kommandant hat den kleinen Niels geschickt, dich zu retten!«
sagte Lars zu Jack. Es war Niels Ringhof, nicht der
kleinste Soldat von allen, der ihn gerettet hatte! »Bis dahin«, fuhr
Herzensbrecher fort, »hatten es alle verstanden, deine Mutter von Niels
fernzuhalten. Sie wußte kaum, daß es ihn gab. Niels jedenfalls hat nichts von
ihr gewußt. Aber so hat sie ihn kennengelernt, Jack. Deine Mutter muß irgendwas
zu dem Jungen gesagt haben; vermutlich hat sie sich dafür bedankt, daß er dich
gerettet hat.«
Es war Jacks Idee gewesen: Seine Mutter sollte seinem Retter eine
Gratistätowierung anbieten; was sie Niels dann allerdings angeboten hatte, war
keine Tätowierung gewesen.
»Sie hat den Jungen verführt?« fragte Jack sein Gegenüber.
»Ganz recht, Jack.
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