Bis ich dich finde
nur zu betrachten und darauf zu warten, daß
er aufwachte.
Sie erzählte Jack, daß der irische Freund niemand Besonderes sei.
Die Liebe ihres Lebens sei, jedenfalls bis jetzt, einer ihrer Professoren in
Belfast gewesen. Sie habe gewußt, daß er verheiratet sei, aber er habe ihr
gesagt, er werde sich von seiner Frau trennen; statt dessen habe er sie,
Heather, verlassen.
Jack erzählte seiner Schwester von Mrs. Machado, außerdem von Mrs.
Adkins, Leah Rosen und Mrs. Stackpole. (Das waren die frühen Katastrophen
gewesen, die ersten, die ihn gezeichnet hatten und für sein maßloses
Enttäuschtsein von sich selbst verantwortlich waren.) Er erzählte Heather von
Emma und Mrs. Oastler und von Claudia und ihrer Tochter – und auch von allem
anderen, sogar von der Verrückten im Benedict Canyon, die bei jedem Einbruch
des Santa Ana, des starken nordöstlichen Föhnwindes, die Schreie und das
Stöhnen der Opfer von Charles Manson gehört hatte und völlig außer sich geraten
war.
Heather erzählte ihm, sie habe ihre Unschuld an einen von Williams
Musikstudenten verloren, als sie noch auf die Secondary School gegangen sei.
»Damals waren wir auf dem Klavier und der Orgel ungefähr gleich gut«, wie sie
es formulierte, »aber mittlerweile bin ich viel besser als er.«
Er erzählte ihr, daß Dr. García seit fünf Jahren die wichtigste Frau
in seinem Leben sei.
[1034] Heather sagte, sie verbringe fast soviel Zeit damit, besser
Deutsch zu lernen, wie mit Orgel-, Klavier- oder Flötespielen. Als Kind habe
sie mit ihrer Mutter Deutsch gesprochen; wegen ihrer Liebe zu Brahms habe sie
ursprünglich auch Deutsch studiert, mittlerweile aber lerne sie die Sprache
auch noch aus einem anderen Grund. Wenn sie noch ein, zwei Jahre in Edinburgh
unterrichtete, wäre sie erheblich besser qualifiziert. Als Assistentin von John
Kitchen in Old St. Paul’s sei sie bereits eine bessere Organistin geworden. In
zwei, drei Jahren könne sie, wenn ihr Deutsch gut genug sei, nach Zürich ziehen
und dort einen Job finden.
»Wieso Zürich?« fragte Jack.
»Na ja, dort gibt es zwei Universitäten, ein Konservatorium und
unverhältnismäßig viele Kirchen für eine so kleine Stadt – mit anderen Worten,
reichlich Orgeln. Dann könnte ich Daddy jeden Tag besuchen, anstatt nur alle
vier bis sechs Wochen.«
»Er ist in Zürich?«
»Ich habe nie gesagt, daß er in Edinburgh ist, Jack. Ich habe nur
gesagt, daß du zuerst zu mir kommen mußt.«
Jack stützte sich auf einen Ellbogen und betrachtete das Gesicht
seiner Schwester auf dem Kissen. Das goldene Haar aus der Stirn gestrichen und
hinter die kleinen Ohren gesteckt, lächelte sie zu ihm auf. Sie legte ihm die
Hand in den Nacken und zog sein Gesicht näher an ihres heran. Er hatte
vergessen, daß sie sich – wenn sie ihn ohne Brille sehen wollte – nicht mehr
als ein paar Zentimeter von seinem Gesicht entfernen durfte.
»Wir fliegen also nach Zürich?« fragte er sie.
»Diesmal fliegst du allein«, sagte Heather. »Beim ersten Mal
solltest du ihn allein besuchen.«
»Wie kannst du es dir leisten, alle vier bis sechs Wochen nach
Zürich zu fliegen?« fragte er sie. »Laß mich das doch bezahlen.«
»Das Sanatorium kostet dreihundertfünfzigtausend Schweizer [1035] Franken pro Jahr – das sind zweihundertzwölftausend US -Dollar
–, wenn er als Privatpatient untergebracht sein soll. Wenn du das bezahlst,
kann ich für meine Reisekosten selbst aufkommen.« Sie zog seinen Kopf neben sich
auf das Kissen. »Wenn du mir unbedingt eine Wohnung kaufen willst, warum kaufst
du dann nicht etwas, was groß genug für uns beide ist, und zwar in Zürich«,
schlug sie vor. »Ich bin in Edinburgh geboren. Hier brauche ich deine Hilfe
nicht.«
»Ich kaufe ein ganzes Haus in Zürich!« sagte Jack.
»Bei dir muß immer alles hopplahopp gehen«, gab sie zurück.
Er wußte nicht, wann oder ob sie schlief. Als er aufwachte, starrte
Heather ihn an: Ihre großen braunen Augen waren den seinen ganz nahe, ihre
kleine Nase berührte fast sein Gesicht. »Du hast vier graue Haare«, sagte sie
zu ihm.
»Zeig mal, ob du auch welche hast«, sagte er, aber Heathers Haar war
golden bis zu den Wurzeln. »Nein, du hast noch keine.«
»Das liegt daran, daß ich alles in allem ziemlich glücklich bin«,
sagte sie. »Sieh mich an. Ich habe gerade die Nacht mit einem Filmstar
verbracht, und es war keine große Sache – ›ein Klacks‹, wie Billy Rainbow sagen
würde.«
»Für mich war es eine große Sache«,
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