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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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weiteren Reisen
stattgefunden.
    An einer von Williams Pinnwänden hing ein Schnappschuß von Jack im
Hama Sushi. So wie er in die Kamera lächelte, konnte nur Emma das Foto gemacht
haben. Es gab noch ein weiteres von ihm mit Emma auf dem Schoß: Er konnte sich
erinnern, wie Emma es gemacht hatte. Das war in ihrer ersten Wohnung gewesen,
ihrer vergammelten Doppelhaushälfte in Venice. Dann gab es noch ein Foto von
Jack in der Kellnerkluft des American Pacific. Auch das konnte nur Emma gemacht
haben.
    »Die hat Emma dir geschickt?« fragte Jack seinen Vater.
    »Ich weiß, Emma konnte manchmal schwierig sein«, erwiderte sein
Vater, »aber sie war dir eine gute Freundin, Jack – loyal und treu. Persönlich
habe ich sie nie kennengelernt, wir haben nur gelegentlich miteinander
telefoniert. Da, schau!« rief sein Vater plötzlich und zog ihn vor eine andere
Pinnwand. »Deine Freundin Claudia hat mir auch Bilder geschickt!«
    Da waren sie, Claudia und Jack, in jenem Sommer, in dem sie in den
Berkshires Shakespeare gespielt hatten. Er hatte Romeo spielen wollen, statt
dessen aber die Rolle des Tybalt bekommen. Und es gab Fotos von dem Theater in
Connecticut, wo sowohl er als auch Claudia in diesem Lorca-Stück – Bernarda Albas Haus – in Frauenrollen aufgetreten waren.
(Gott sei Dank aber keine Fotos von der Lebensmittelvergiftung.)
    »Hast du Claudia je kennengelernt?« fragte Jack seinen Vater.
    [1085]  »Leider nur per Telefon«, antwortete William. »Ein nettes
Mädchen, sehr ernsthaft. Aber sie wollte Kinder, nicht wahr?«
    »Ja, das wollte sie.«
    »Manche Menschen lernt man zur falschen Zeit kennen, nicht wahr?«
fragte sein Vater. »Deine Mutter habe ich zur falschen Zeit kennengelernt – zur
falschen Zeit für sie und zur falschen Zeit für mich, wie sich herausstellte.«
    »Sie hatte kein Recht, dich von mir fernzuhalten!« sagte Jack
zornig.
    »Sei nicht so amerikanisch!« sagte sein Vater. »Ihr Amerikaner
glaubt immer, ihr hättet so viele Rechte! Ich habe eine junge Frau
kennengelernt und ihr gesagt, ich würde sie ewig lieben, aber das habe ich
nicht getan. Ich habe sie noch nicht einmal besonders lange geliebt. Um ehrlich
zu sein, habe ich es mir ganz schnell anders überlegt – aber da hatte ich ihr
Leben schon verändert! Welche Rechte darf man sich denn noch herausnehmen, wenn
man das Leben eines anderen Menschen verändert? Hatte deine Mutter etwa nicht
das Recht, wütend zu sein?«
    Sein Vater wirkte geistig so gesund wie nur je ein Mensch, dem Jack
begegnet war. Warum ist mein Vater hier?, dachte Jack
in einem fort, obwohl Heather ihn vor genau diesem Gedanken gewarnt hatte.
    Es gab Fotos von Jack als Kit Kat Girl, aus jenem Sommer, in dem sie
beide, Claudia und er, Sally Bowles in Cabaret hatten
spielen wollen, und eine Menge Bilder vom Sommer 1986, als er Bruno Litkins
kennengelernt hatte, den schwulen Kranich, der ihn als Transen-Esmeralda im Glöckner von Notre Dame besetzt und ihm so zu einem
fragwürdigen Karrieresprung verholfen hatte – einem Karrieresprung, bei dem
seine heterosexuelle Orientierung allerdings weitgehend intakt geblieben war.
    »Du warst gut als Frau«, sagte sein Dad, »aber als dein Vater habe
ich dich verständlicherweise lieber in Männerrollen gesehen.«
    [1086]  Es gab Bilder von Jack mit seiner Mutter und Leslie Oastler und
eines von ihm und seiner Mutter im Daughter Alice. Hatte Mrs. Oastler oder ein
Kunde dieses Foto gemacht?
    »Emma fand, ich müßte wissen, wie ihre Mutter aussieht«, erklärte
sein Dad, »weil sie sich Sorgen darüber machte, ihre Mutter könnte dich in die
Hand bekommen. Ich meine das nicht im wörtlichen Sinne!«
    »Hat Mrs. Oastler dir auch Fotos geschickt?« fragte Jack. »Hast du
mit ihr etwa auch telefoniert?«
    »Ich hatte das Gefühl, daß Leslie mir nur dann Bilder geschickt oder
mich angerufen hat, wenn sie wütend auf deine Mutter war«, erklärte William.
    »Wahrscheinlich, wenn Mom ihr untreu war.«
    »Nach deiner Mutter habe ich nie gefragt, Jack. Ich habe mich immer
nur nach dir erkundigt.«
    Es gab ein Foto von Jack und Miss Wurtz aus der Zeit, als er und
Claudia mit ihr zum Filmfestival von Toronto gefahren waren. Miss Wurtz
strahlte förmlich in ihrer nach einem Filmstar aus früheren Zeiten aussehenden
Garderobe. Dieses Bild mußte Claudia gemacht haben, aber die Art, wie die Wurtz
verführerisch in die Kamera lächelte, war eindeutig: Caroline wußte ganz
offensichtlich, daß entweder sie oder Claudia dieses Foto William

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