Bis ich dir verfalle: Erotische Vampirstorys (German Edition)
es doch immer Gratismassagen im Büro. Sie würde daran denken, sich anzumelden. Dann konnte sie sich einfach hinsetzen, ihr Sandwich essen und entspannen.
Aber ihr wunderbarer Latte macchiato schmeckte heute wie Pappe, und in dem Moment, als sie sich auf einer niedrigen Mauer neben zwei Brokern niederließ, die Tofu aßen und über Aktienkurse debattierten, sprang sie wieder auf. Da war wieder dieses unerklärliche Prickeln, dem sie nicht entkommen konnte. Jemand beobachtete sie, maß sie geradezu mit Blicken. Ihr Latte schwappte über ihr Handgelenk. Sie schaute nach unten. Ihre Hand zitterte.
Na toll. Sie wurde tatsächlich verrückt!
In der anderen Hand hatte sie inzwischen nur noch einen unappetitlichen Haufen zerquetschtes Sandwich. Sie warf einen letzten prüfenden Blick auf die offenbar von ihrem inneren Aufruhr gänzlich unberührte Menge und nippte ein letztes Mal am Latte, der nach nichts schmeckte. Das tat sie, um sich den Anschein von Normalität zu geben, falls sie tatsächlich jemand beobachtete und dachte, sie sei eindeutig verrückt. Dann atmete sie tief durch und machte sich wieder auf den Weg zurück ins Büro. Dort war sie sicher, konnte sich hinter ihrem Schreibtisch verschanzen, den man nur mit Hilfe von Sicherheitskarten und durch Metalltüren erreichte. Sie lief so schnell, wie es ihre Slipper erlaubten, ohne dass sie über die eigenen Füße fiel.
Aber sie lief nicht vor irgendwas davon. Oh nein. Auf keinen Fall. So verrückt war sie nicht. Noch nicht ...
Am Nachmittag irrten ihre Gedanken ziellos umher. Wörter und Zahlen verschwammen vor ihren Augen, und die Bedeutung verschloss sich ihr. Sie ertappte sich mehrmals dabei, wie sie aus dem Fenster starrte. Draußen herrschte brütende Hitze.
Sie war keine Frau, die leicht in Panik geriet.
Als sie neun Jahre alt gewesen war, gelang es dem Pitbull eines Nachbarn, sich von der Leine loszureißen und hinter ihr herzujagen. Sie blieb stocksteif stehen und drückte die Hände gegen ihre Oberschenkel. Mitten auf der Straße hatte sie gestanden, und der Hund kam direkt vor ihr zum Stehen und bellte. Aber dann hatte er sich zu ihrer Überraschung hingelegt und den Kopf auf die Pfoten gelegt. Er hatte leise geknurrt, bis der Nachbar kam und den Köter an der Leine wegzog. Nein, sie ließ sich nicht so leicht ängstigen ...
»... geht’s dir gut?«
Ihr Herz machte einen schmerzhaft heftigen Satz. Sie schluckte schwer und blickte auf. Neben ihrem Stuhl stand eine Frau. Sie kannte diese Frau. Sie sahen sich jeden Tag. Wie war bloß ihr Name?
Egal. Sie lächelte die Frau an. »Mir geht’s gut.«
»Bist du sicher?« Die Frau runzelte die Stirn. »Du siehst ziemlich fiebrig aus. Die Sommergrippe geht gerade um ... Meine Kinder haben sie auch bekommen, es war echt heftig.«
Sah sie fiebrig aus? Wieso? Der Ventilator über ihrem Kopf kreiselte und blies kühle Luft über den Schreibtisch. Sie schüttelte den Kopf. »Mir geht’s gut, wirklich. Ich fühle mich nicht krank.«
Janine, genau. Wie konnte sie bloß den Namen vergessen? Sie kannte Janine, sie arbeiteten seit fünf Jahren zusammen.
»Na ja, ich ...« Janine verstummte.
»Schöner Nachmittag, was, die Damen? Wie geht’s?« Er lächelte sie an. Ein Grübchen zeichnete sich für einen winzigen Moment in der perfekten, mahagonidunklen Oberfläche seines Gesichts ab. Marc? Nein, Marcus. Seinen Namen kannte sie, obwohl sie ihn erst vor knapp anderthalb Monaten kennengelernt hatte, als er in die kleine, bienenstocklebhafte Welt im 27. Stock eingetreten war.
Janine schaute nur kurz zu ihm auf, dann wandte sie sich ihr mit gerunzelter Stirn wieder zu.
»Ich glaube, Kat bekommt eine Grippe. Aber sie behauptet, ihr geht’s gut.«
Ein besorgter Blick, der dem von Janine glich, ersetzte das charmante Lächeln. »Bist du sicher?«, fragte er und blickte sie an. Sein Blick schien sie zu durchdringen. »Wir können das Meeting heute Nachmittag auch verschieben, wenn’s dir nicht gut geht.«
Ach, verdammt! Ihr ging’s doch gut. Um ihnen zu beweisen, wie unbegründet die Sorge war, stand sie auf und strich ihren Rock glatt. Sie zwang sich zu lächeln. Die beiden mussten ja nicht wissen, dass ihr Kopf in dem Moment zu schmerzen begann, als sie sich erhob. Oder dass sie sich irgendwie schrecklich heiß anfühlte.
»Ich kann das Meeting heute Nachmittag bewältigen, keine Sorge. Und danach ... ach, ich geh einfach danach, wenn das in Ordnung ist.«
Sie blickte von einem zum anderen. Sahen sie
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