Bis ich dir verfalle: Erotische Vampirstorys (German Edition)
Grundwasserspiegel.« Zum ersten Mal bemerkte ich den muffigen, feuchten Geruch, von dem ich bisher geglaubt hatte, er stiege vom Kanal draußen auf.
Paolo schob sich näher. Er drückte seine Schulter gegen das Holz und streckte den Arm mit der Taschenlampe so weit wie möglich vor. Ich konnte nicht an ihm vorbeisehen, aber schon bald zuckte er zurück und riss entsetzt die Augen auf.
»Heilige Mutter Gottes!«
»Was ist?«
»Ähm, ja.« Er rang sichtlich um seine professorale Haltung. »Sieh dir das an, Emily.« Er reichte mir die Taschenlampe. Beklommen riskierte ich einen Blick.
In dem Loch hinter dem Altar befand sich eine tiefliegende, niedrige Kammer, die in den Stein gehauen war. Ich habe noch nie davon gehört, dass jemand in Venedig einen Keller gegraben hätte, und darum überraschte es mich auch nicht, dass diese Kammer mit Schlick überflutet war. An der gegenüberliegenden Wand entdeckte ich einen sitzenden Leichnam, der bis zu den Hüften im Schlamm steckte. Mir wäre fast die Taschenlampe aus der Hand gefallen.
»O mein Gott!«
Zumindest glaubte ich kurz, es müsse sich um Gott handeln. Der Leichnam war ein nackter Mann. Was konnte hier unten so lange unversehrt liegen, wenn nicht Gott?
»Unglaublich, findest du nicht auch? Heilige Mutter Gottes ... Er ist unberührt!« Der Professor bekreuzigte sich.
Sein plötzlicher Anflug von Frömmigkeit ließ mich erschauern. »Sie haben Aronne hier unten eingemauert? In der Kirche?«, piepste ich entsetzt.
»Anscheinend haben sie die Kirche über seiner Zelle erbaut.« Ungeduldig schob Paolo sich wieder neben mich. »Das ist einfach wunderbar. Sieh doch nur, wie gut sein Leichnam erhalten ist!«
Ich riskierte einen zweiten Blick. Es handelte sich um den Leichnam eines hageren, muskulösen Mannes. Man konnte jede Rippe und jeden Muskel erkennen. Sein Kopf war nach vorne auf die Brust gesunken, und langes, weißes Haar hing über sein Gesicht. Sogar das Haar in seinen Achselhöhlen war flachsblond. Schwarze Spinnweben um seine Schultern waren vielleicht in Wahrheit die Überreste seiner Kleidung. Seine Haut aber war makellos weiß wie Schnee. »Liegt hier eine Verseifung des Gewebes vor?«, fragte ich heiser. Das feuchte Raumklima im Keller ließ das als wahrscheinlichste Möglichkeit erscheinen. Ständig tropfte Wasser von der Decke. Ich bemerkte noch etwas anderes.
»Er ist angekettet.«
»Wie bitte?«
»Sieh doch nur.« Die Arme des Leichnams waren über den Kopf erhoben und wurden auf beiden Seiten von schwarzen Eisenarmbändern hochgehalten, die an Ketten mit der Wand verbunden waren. »Warum hat man ihn gefesselt?«, fragte ich mich.
Paolo schüttelte den Kopf. Dann begann er, an den alten Brettern zu zerren und sie zu lösen. Ich öffnete den Mund, weil ich ihn aufhalten wollte. Doch ich sagte nichts. Was mein Professor tun wollte, ging mich nichts an.
»Sollten wir nicht lieber einen Priester holen?«, machte ich einen halbherzigen Versuch, ihn aufzuhalten.
»Gleich. Ich will mir das erst genauer ansehen.«
Ich zuckte zusammen, als er die Verkleidung Brett für Brett herausriss und achtlos beiseitewarf. »Du willst da doch nicht reingehen, oder?«
»Ich will ihn dort fotografieren, wo er jetzt liegt.« Sobald die Öffnung groß genug war, drehte er sich herum und schob die Füße in das Loch. Ein großer Tropfen Wasser fiel auf seinen Stiefel. »Gib mir meinen Hut, Emily.«
Ich gehorchte. Dann nahm er die Taschenlampe und schob sich in die Zelle. Der Schlamm, der den Boden bedeckte, war fest genug, dass er darauf stehen konnte. Er warf mir ein triumphierendes Grinsen zu. Dann ging er in die Knie und bewegte sich hockend vorwärts, bis er den Leichnam erreichte. Ich konnte hören, wie er etwas auf italienisch murmelte. Als er nur noch einen Meter entfernt war, zog er sein Handy aus der Jackentasche und begann, Fotos zu machen. Die Haut des Leichnams war so bleich, dass es aussah, als würde sie im Blitzlicht aufleuchten. Er kroch noch näher.
Was als Nächstes passierte, begriff ich nicht sofort.
Der Leichnam riss den Kopf nach oben. Im schwachen Licht glommen seine Augen rot. Er riss seine Arme aus den zerfressenen Handfesseln, die einfach zerbrachen und herunterfielen. Der Professor öffnete entsetzt den Mund. Auch der Leichnam öffnete den Mund, aber er schnellte vor, als wollte er Paolo einen Kuss geben. Seine Zähne waren lang und spitz wie die einer Schlange. Ich schrie, sprang von dem Loch in der Mauer zurück, versuchte auf
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