Bis in alle Ewigkeit
Sweschnikow saß in der Ecke, den Kopf tief gesenkt.
»Professor, was ist mit Ihnen? Freuen Sie sich denn nicht? Wir haben alle so darauf gewartet, jetzt beginnt ein ganz anderes, neues Leben. Die Selbstherrschaft ist vorbei!«
Sweschnikow hob den Kopf, schaute alle an und sagte leise: »Ich bin General des Zaren. Ich habe einen Eid geleistet. Ich habe keinen Grund zur Freude, Herrschaften.«
Am Morgen des 6. März wurden Tanja und Pawel Danilow in der Großen Himmelfahrtskirche getraut.
Zwölftes Kapitel
Pjotr Colt war an wenig Schlaf gewöhnt und verkraftete schlaflose Nächte problemlos. Seine neue Freundin Jeanna war unermüdlich. Zum ersten Mal seit vielen Jahren kam er nun schon die zweite Woche ohne Stimulanzien aus.
Vielleicht brauche ich ja gar nichts weiter, keine biologischen Tricks, dachte Colt, als er sich am Morgen im Whirlpool aalte. »Das Mädchen hat eine Wahnsinnsenergie. Das ist mein Jugendelixier. Kein hoher Blutdruck mehr, keine Herzschmerzen.
Schon lange hatte Colt sich nicht mehr so wohl gefühlt. Tief im Innern war ihm allerdings klar, dass das keineswegs an der prächtigen Jeanna lag. Die Jagd, die in jener Silvesternacht in Courchevel begonnen hatte, dauerte inzwischen sechs Jahre, und nun befand er sich auf der Zielgeraden.
Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen, als er Subow veranlasst hatte, sich mit Professor Melnik in Verbindung zu setzen. Der Professor selbst war eine Null, ein Angeber und Schnorrer, aber über ihn waren sie auf eine unschätzbar wertvolle Person gestoßen, einen realen Zeugen und Teilnehmer der Ereignisse, die Colt so sehr interessierten.
Diese Person wurde demnächst 116 Jahre alt. Mochte der Anblick von Fjodor Agapkin, dieses Wracks mit gelähmten Beinen und zitterndem Unterkiefer, auch Mitleid und Ekel auslösen, so erfüllte allein der Umstand, dass dieses vorrevolutionäre Fossil noch lebte, Colts gepeinigtes Herz mit heißer, heilsamer Hoffnung.
Der pensionierte FSB-Oberst Subow hatte über seine alten Kontakte herausgefunden, dass der ehemalige Assistent von Professor Sweschnikow keine Fiktion war, kein verrückter Hochstapler. Er hatte als einziger Mitarbeiter einer geheimen OGPU-Abteilung die Prozesse der dreißiger und fünfziger Jahre überlebt. Er war der letzte Vertreter der Moskauer Rosenkreuzer-Loge. Es schien, als habe er eigens deshalb so lange gelebt und überlebt, damit Pjotr Colt im November 2005 in seiner mit dem Duft von Räucherstäbchen durchtränkten Wohnung auftauchte und von ihm alles erfuhr, was er erfahren wollte.
Es hatte Colt eine Menge Kraft und Geld gekostet, ein vertrauliches Gespräch mit Agapkin zu arrangieren. Der Tschekisten-Veteran stand unter dem Schutz der Behörde, der er die besten Jahre seines langen Lebens geopfert hatte. Bis auf einige Neffen und Nichten in anderen Städten hatte er keine Angehörigen.Er war General im Ruhestand und wurde offiziell als freier Berater geführt. Sein Kopf funktionierte noch ausgezeichnet. Er wurde als wertvolle Informationsquelle und lebendige Reliquie beschützt und behütet, doch nicht, weil man hoffte, über ihn das Geheimnis von Professor Sweschnikows Methode zu ergründen.
»Ein paar erfolgreiche Versuche sind noch keine Methode«, sagte ein junger Major im Archiv zu seinem ehemaligen Kollegen Oberst Subow, »an diesem Thema arbeiteten unter dem Dach des Instituts für experimentelle Medizin und anderer Forschungseinrichtungen über ein Dutzend Professoren. Bogomolez, Sawarsin, Sawitsch, Tuschnow. Drüsenextrakte, der Urin schwangerer Frauen, dies und jenes aus der fernöstlichen Tradition. Vom heutigen Entwicklungsstand in Biologie und Medizin aus gesehen alles Steinzeitalter.«
Der schlaue Subow ließ sein besonderes Interesse für Sweschnikow in seiner Unterhaltung mit dem Major keineswegs durchblicken. Er hatte sich von Anfang an mit der Legende vorgestellt, sein Chef Pjotr Colt habe nach einem Besuch der Ausgrabungsstätte eines alten Klosters im Wudu-Schambala-Kreis ein Faible für die Geschichte esoterischer Lehren entwickelt, und nun habe er diverse Projekte im Kopf: Den Bau eines Museums, eine Reihe von Dokumentarfilmen.
»Fjodor Fjodorowitsch darf nicht gefilmt werden«, informierte ihn der Major.
»Darum möchte sich mein Chef ja mit ihm unter vier Augen unterhalten.«
Es war nichts Seltsames am neuen Hobby des Oligarchen. Reiche Leute vergnügten sich mit allem Möglichen. Der eine sammelte Antiquitäten, ein anderer kaufte Fußballklubs, der Nächste lebte
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