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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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gut war oder schlecht, sie hatten ihm Treue geschworen, und nun hatten sie seine Abdankung bejubelt und mit Champagner begossen. Nicht jeder kann den hässlichen Nachgeschmack eines Verrats mühelos verdrängen.
    Professor Sweschnikow und einige alte Nonnen-Schwestern bildeten eine kleine Lazarettopposition gegen die allgemeine Begeisterung. Als bekannt wurde, dass die kaiserliche Familie verhaftet sei, weinte Schwester Arina, und Sweschnikow lief mit Trauermiene herum. Alle begrüßten die Provisorische Regierung, käuten jede Rede von Kerenski voller Eifer wieder.
    Der Petrograder Rat erließ den Befehl Nr. 1, der das Titulieren der Offiziere abschaffte. Nun mussten die niederen Ränge außerhalb des Dienstes keine Befehle von Offizieren mehr befolgen und sie nicht mehr grüßen. Faktisch übernahmen revolutionäre Agitatoren die Führung der Armee. Scharen bewaffneter, von der Agitation angeheizter Deserteure streiften durch Städte und Dörfer und raubten, töteten, vergewaltigten und brandschatzten.
    Im Lazarett verlangten die Soldaten, dass die Offiziere in die allgemeinen Krankenzimmer verlegt würden, genesende Verwundete gründeten ein spezielles Komitee »zum Kampf gegen die Konterrevolution und die Offiziersprivilegien«, Bevollmächtigte überprüften, ob alle das gleiche Essen bekamen und ob die Ärzte einfache Soldaten auch nicht schlechter behandelten als Offiziere. Wenn einer der niederen Ränge versehentlich, aus alter Gewohnheit, einen Offizier grüßte, wurde er zum Volksfeind erklärt. Mitunter gab es deswegen Schlägereien. Mit Krücken und eingegipsten Armen schlugen die Patienten aufeinander ein. Die Sanitäter verweigerten den Gehorsam. Schwestern und Ärzte mussten die Prügelnden trennen.
    Lebensmittelläden schlossen, immer länger wurden die Schlangen nach Brot und Fleisch, immer schmutziger die Straßen. Nur an rotem Fahnentuch und an Blasorchestern gab es keinen Mangel.
    Agitatoren, vom Rat der Arbeiter-und-Soldatendeputierten bevollmächtigt und mit Mandaten versehen, versammelten die Menge zu Kundgebungen und Demonstrationen und heizten sie mit Reden, Aufrufen, Versprechungen und Schmeicheleien an. Die Menge hörte beifällig zu und kaute Sonnenblumenkerne.
    Sweschnikow ging normalerweise viel zu Fuß durch Moskau, besonders im Frühling. Jetzt aber mied er die Straße nach Möglichkeit.Der Anblick der erregten Menge weckte in ihm Wehmut und Widerwillen. Der Schmerz nach Wolodjas Tod war noch nicht verebbt. Nun kam eine animalische, unbezwingbare Angst um Tanja und Andrej hinzu, um ihre Zukunft, um ihr Leben in einem Land, das immer mehr an einen Saal Tobsüchtiger in einer Irrenanstalt erinnerte.
    Er schlief schlecht, obwohl er sich bis zur äußersten Erschöpfung mit Arbeit betäubte. Trotzdem blieb noch immer freie Zeit, und die musste er füllen, um nicht auf die Straße hinausgehen, nicht mit Menschen reden und keine Zeitungen lesen zu müssen und auch keine Flugblätter und Aufrufe, die aus Fenstern und Autos flatterten, an Hauswänden und Anschlagsäulen klebten und die Stadt immer schmutziger und hässlicher machten.
    Der Professor gab Agapkins Drängen nach und schaute häufiger im Labor vorbei.
    Agapkin hatte sich bemüht, die Versuche fortzusetzen, wusste aber, dass das ohne den Professor sinnlos war. Zudem fühlte er sich allein zwischen den Glaskäfigen mit Versuchstieren oft unbehaglich. Er hatte das Gefühl, als schaute der Ratz Grigori ihn aufmerksam an und beobachtete jeden seiner Schritte. Der starre Blick der rubinroten Augen hatte eine unangenehme Wirkung auf seine Nerven.
    Agapkin war überhaupt in keiner guten Verfassung. Die Nachricht von Tanjas und Danilows Trauung hatte ihm schwer zu schaffen gemacht. Es hatte ihn eine gewaltige Anstrengung gekostet, die Jungvermählten zu beglückwünschen und seinem Rivalen die Hand zu drücken.
    Tanja war zu Danilow gezogen. Ohne sie war die Wohnung öde und leer. Agapkin sah sie nur noch im Lazarett. Doch Anfang April musste Danilow wieder an die Front. Er konnte jeden Augenblick getötet werden, nicht nur von Deutschen oderÖsterreichern, sondern auch von den eigenen Leuten. Das wärmte Agapkin das Herz.
    Tanja kehrte nach Hause zurück, und alles war wie früher, als hätte es keine Trauung gegeben. Sie bereitete sich auf die Abschlussprüfungen am Gymnasium vor, danach wollte sie sich an der medizinischen Fakultät bei Wladimir Guerriers Höheren Frauenkursen bewerben. Der April verging, der Mai. Andrej sollte

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