Bis in alle Ewigkeit
weggelaufen, ich wollte mich gerade erkundigen, was mit der Heizung ist, aber das ist sinnlos,niemand weiß etwas, der Hauswart ist betrunken und wird ausfallend, dabei ist er Moslem, der Koran verbietet doch Alkohol. Warten Sie, hier ist ein Brief für Michail Wladimirowitsch, der lag in unserem Briefkasten, ich wollte gerade zu Ihnen, ihn abgeben.« Sie reichte ihm einen dicken Umschlag.
Der Brief kam aus Jalta, von Natascha und Ossja.
»Ich danke Ihnen, ich werde ihn übergeben. Nachher. Jetzt bin ich in Eile.« Er schob den Umschlag unter seine Jacke.
»Sie sind doch nicht krank, Fjodor Fjodorowitsch? Sie sehen so seltsam aus«, murmelte die Dame ein wenig erschrocken.
»Nein, nein, ich bin nur in Eile, entschuldigen Sie.« Rasch verließ er das Haus.
Vor der Tür stand das wohlbekannte Auto. Der Chauffeur kam ihm entgegen und fragte leise: »Was ist los, Disciple, wo wollen Sie hin? Was ist mit Ihnen?«
»Der Oberst ist zurück. Das muss ich melden.«
»Das mache ich. Helfen Sie mir, die Pakete hochzutragen.«
»Nein. Auf keinen Fall! Ich kann nicht, ich will nicht dorthin!«
»Was ist los? Sind Sie betrunken?« Der Chauffeur beschnupperte ihn wie ein Hund. »Nein. Anscheinend nicht. Etwa Kokain?«
»Hören Sie auf. Ich bin nüchtern und habe auch nichts geschnupft. Es geht mir schlecht. Etwas Persönliches. Das werde ich Ihnen nicht erklären.«
»Ist auch nicht nötig, ich weiß Bescheid. Sie haben es selbst gesagt – der Oberst ist zurück. Ich an Ihrer Stelle hätte mir längst eine fröhliche Studentin gesucht. Ja, schon gut, beruhigen Sie sich. Kommen Sie mit, ohne Sie kann ich das nicht alles hochschleppen, Sie müssen doch sowieso wieder zurück, was bleibt Ihnen übrig, also halten Sie aus, Disciple. Leiden veredelt die Seele und trainiert den Willen.«
»Ja. Gut, ich bin bereit. Aber Sie kommen mit rein und erklären alles selbst, sonst sieht es so aus, als würde ich schon mit denen zusammenarbeiten, und dann verliere ich sein Vertrauen, seinen Respekt, dann ist alles umsonst, alles aus.« Er flüsterte hastig und mied den spöttischen Blick der blauen Augen des Chauffeurs.
»Schluss jetzt mit der Hysterie! Setzen Sie sich rein!« Der Chauffeur öffnete den Wagenschlag und drückte Agapkin gewaltsam auf den Beifahrersitz. »Sie können von mir aus beten, meditieren oder Elefanten zählen. Sie haben drei Minuten, um sich zu beruhigen und sich zusammenzunehmen. Oder ich muss melden, dass Sie unzurechnungsfähig und unzuverlässig sind.«
Der Chauffeur wandte sich ab und zündete sich eine Papirossa an. Er lehnte draußen an der Tür. Über seiner schwarzen Lederjacke trug er ein Schulterhalfter. Fjodor konnte den Blick nicht von der Pistolentasche wenden. Er brauchte nur die Hand auszustrecken, um den Revolver herauszuziehen. Der Chauffeur würde es natürlich merken, aber nicht gleich begreifen, was los war. Er würde denken, Disciple habe den Verstand verloren und wolle ihn umbringen. Disciples wahre Absicht würde er kaum erraten. Und diese kurze Verwirrung würde genügen, sich die Mündung an die in rasendem Schmerz pulsierende Schläfe zu halten und abzudrücken. Nur ein Augenblick – und alles wäre vorbei. Kein Schmerz mehr, keine Liebe, keine Angst und keine Demütigung. Nichts mehr. Leere.
Ich weiß, dass das Sünde ist. Aber ich kann nicht mehr.
Er war bereit zur dieser letzten, raschen Bewegung, er hatte sich endgültig und unwiderruflich entschieden, er hielt es für den einzigen Ausweg, aber seine Hand gehorchte ihm nicht, sie rührte sich nicht. Sein Körper wurde von einem furchtbaren Krampf erfasst, der Kopf explodierte schier vor Schmerzen, erbegriff nichts mehr, er sank in eine eiskalte pfeifende Finsternis und konnte nur noch denken: Es ist passiert, ich habe mich getötet, aber ich habe nichts gespürt, ich habe nicht einmal den Schuss gehört.
Sylt 2006
Sofja schaltete den Computer aus und schaute aus dem Fenster, ihren Teddy im Arm. Subow schaute in sein Buch, als wäre er ganz vertieft in die Lektüre, doch seit einer halben Stunde waren die Memoiren seines ehemaligen Kollegen auf Seite eins aufgeschlagen.
Er dachte über das nach, was er vor vierzig Minuten aus Sofjas E-Mails erfahren hatte.
Ihr Freund Nolik, der immer Hunger hatte und noch nie im Ausland gewesen war, hatte gründliche Nachforschungen für sie angestellt.
Subow erinnerte sich sehr gut an Agapkins nervöse Andeutungen; er hatte sich den Mitschnitt zweimal angehört, bevor er ihn Colt
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