Bis in alle Ewigkeit
versuchte, die Ärzte unter einem Vorwand wegzulocken, damit Tanja und Danilow eine Weile allein sein konnten, sie hatten ja nur noch wenig Zeit. Aber die Ärzte gingen nicht, sie rauchten, tranken Tee und stellten Fragen, einander ins Wort fallend.
»Ist es wahr, dass Österreich-Ungarn einen Separatfrieden will?«
»Wie könnt ihr Militärs, die Elite der Armee, zulassen, dass in Kriegszeiten dieses Ungeheuer Rasputin und seine Clique über Ministerposten verfügt?«
»Sind die Unseren etwa wieder auf dem Rückzug?«
»Ich habe gehört, es wird im Gegenteil einen Angriff geben, darauf besteht angeblich General Brussilow, er bereitet eine großangelegte Operation vor, die den Feind überrumpeln wird.«
Danilow rieb sich immer wieder die Augen, unterdrückte das Gähnen und erzählte.
»Die Soldaten erhalten Uniformen, doch zurück an die Front kommen sie in Lumpen, sie verkaufen und vertrinken unterwegs alles, weil sie wissen, sie kriegen neue Sachen. In den Truppen laufen revolutionäre Agitatoren herum, bezahlt mit deutschemGeld. Die Autorität der Offiziere und überhaupt jeder Obrigkeit sinkt ständig, die Armee löst sich auf. Wie kann da von Angriff die Rede sein?«
Danilow unterstand General Brussilow, der vor kurzem zum Kommandeur der Südwestfront ernannt worden war. Dass ein Generalangriff vorbereitet wurde, war streng geheim.
Die Operation, die Brussilow plante, sollte den gesamten Verlauf des Krieges verändern. Sie war für Mai vorgesehen, würde aber womöglich überhaupt nicht stattfinden. Das Hauptquartier schwankte, hatte kein Vertrauen in Brussilows Vorhaben. Oberst Danilow wusste, dass er vor dem Herbst nicht mehr zu Tanja nach Moskau kommen konnte. Es tat ihm leid, die kostbare Zeit zu vergeuden. Doch die Ärzte redeten immer weiter.
»Unsere Aufklärung ist schlecht organisiert, wir haben zu wenig Aeroplane.«
»Der Stellungskrieg ist veraltet.«
»Na, und was sagen Sie zu diesen Schwätzern in der Duma?«
»Dieser Krieg wird Russland zugrunde richten.«
»Wir kämpfen viel zu verschwenderisch, ohne Rücksicht auf Verluste, wir verlieren die besten Leute.«
»Die Engländer werden bald eine ganz neue, zerstörerische Waffe einsetzen.«
»Oho, das steht auch in den Zeitungen?« Der Oberst lachte spöttisch. »Die Tests mit der neuen Waffe werden streng geheim gehalten.«
»Das erzählen die Verwundeten«, sagte Tanja, »die Waffe heißt Panzer. Ein riesiges Ding, eine Art eiserne Schildkröte, wenn einem die im Traum erscheint, stirbt man vor Angst. Möchten Sie noch Tee?«
»Nein danke, Tanja. Setzen Sie sich. Bleiben Sie einfach bei mir sitzen.«
»Ja, bleibt ihr sitzen, wir gehen jetzt.« Sweschnikow stand entschlossen auf und nahm alle mit, die hier überflüssig waren.
Endlich waren Tanja und Danilow allein.
Der Deckel des kochenden Teekessels hüpfte und klapperte, die Gardine wehte im Wind vom offenen Oberlicht, draußen vor der Tür schlurfte jemand vorbei und hustete.
»Es heißt, Ihre Majestät mag General Brussilow nicht. Ist das wahr?«, fragte Tanja.
»Ja, vermutlich.« Danilow zuckte die Achseln. »Der General gehört nicht zu den Anhängern Rasputins.«
»Beurteilt sie die Menschen wirklich nur danach?«
»Rasputin hilft ihrem Sohn. Er ist der Einzige, der dessen Blutungen stillen kann. Mehrfach hat er dem Kronprinzen das Leben gerettet, als die Ärzte sagten, es gebe keine Hoffnung mehr. Vielleicht besitzt dieser seltsame Mann wirklich eine besondere magische Gabe.«
»An Hypnose ist nichts Magisches.« Tanja zuckte die Achseln. »Allerdings beherrschen sie nicht viele. Hämophilie ist durch Hypnose natürlich nicht zu heilen. Rasputin versetzt den Kronprinzen in Trance. Die Gefäße verengen sich, es tritt eine kurzzeitige Erleichterung ein. Das ist also nichts Mystisches. Aber die Wirkungsweise der Hypnose ist bislang wenig erforscht. Warum lächeln Sie denn so?«
»Tanja, Sie haben mir noch immer nicht gesagt, ob Sie mich heiraten wollen.«
Sie stand auf, nahm den Teekessel vom Feuer, löschte die Flamme des Spirituskochers, lief durch den Raum, blieb am dunklen Fenster stehen, betrachtete ihr verschwommenes Spiegelbild auf der Scheibe und sagte: »Nein.«
»Michail Wladimirowitsch hat mir schon erklärt, dass Ihr ›Nein‹ ›ja‹ bedeutet.«
»Dann fragen Sie doch ihn, wenn er alles weiß!«
»Es gibt Dinge, die ich nur Sie fragen kann.«
»Ich habe Ihnen geantwortet.« Sie wandte sich zu ihm um. »Nein. Bevor ein Mann einen Heiratsantrag
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