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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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Psychophysiologie.«
    »Schnallen Sie sich bitte an, wir landen«, sagte die Stewardess.
    »O mein Gott, jetzt ist schon alles passiert. Und ich schwatze und schwatze. Das Telefon darf ich natürlich noch nicht einschalten?«
    »Nein. Auf keinen Fall.« Die Stewardess lächelte liebenswürdig. »Haben Sie noch etwas Geduld.«
    »Ja, natürlich.«
    Colt schaute Jelena an, und plötzlich versengte ihn ein seltsames, heftiges Gefühl, eine Mischung aus Sehnsucht und Neid. Er wünschte, er könnte sich ebensolche Sorgen machen, warten, vergehen vor Angst, Glück und Ungeduld.
    Das Flugzeug landete in Tuschino. Jelena schaltete ihr Telefon ein, und es klingelte sofort. Sie schwieg einen Augenblick, hörtemit fest zusammengekniffenen Augen zu, dann öffnete sie die Augen wieder, bekreuzigte sich und atmete fast unhörbar aus.
    »Ein Junge. Dreitausendzweihundert Gramm.«
    Colt bot an, sie zur Entbindungsklinik zu fahren.
    »Nein, danke, Sie haben mir schon so sehr geholfen. Hier gibt es massenhaft Taxis. Sie sind ein guter Mensch, wirklich, ich danke Ihnen.« Sie küsste ihn auf die Wange und rannte zum Taxistand.
    »Warten Sie!«, rief Colt.
    Er wollte sie nach ihrer Telefonnummer fragen und nach dem Namen jenes Doktors. Aber sie war bereits in einen Wagen gesprungen und hörte ihn nicht mehr.
Moskau 1916
    Eine Woche lang sank Ossjas Temperatur nicht unter achtunddreißig Grad. Potapenko und andere Ärzte befürchteten Typhus, doch der typische Ausschlag fehlte. Sie vermuteten eine Lungenentzündung, doch die Lungen waren sauber. Der Junge war schwach, schwitzte heftig, wollte viel trinken, murmelte Gedichte, phantasierte aber nicht und verlor nicht das Bewusstsein. Er aß wenig, nur dünnen Brei und Moosbeerengrütze. Er schlief fest, zwölf Stunden am Tag.
    Am achten Tag wurde er, eingehüllt in Sweschnikows Biberpelz und mit Wolltüchern umwickelt, in einem geschlossenen Lazarettwagen in die Wohnung des Professors gebracht.
    Der April ging zu Ende, es war der frühe Abend des Ostersonntags, die untergehende Sonne schien in das quadratische Fenster des Krankenwagens, Glocken läuteten. Ossja, schwach und schweißfeucht, hielt einen runden Arztspiegel in der Hand und ließ Lichtreflexe tanzen.
    In Tanjas kleinem Arbeitszimmer neben ihrem Schlafzimmer waren die Möbel umgestellt worden. Der alte Sekretär, noch von ihrer Großmutter, war ins Schlafzimmer gezogen, an seiner Stelle stand nun ein Bett, und am Fenster hingen neue, helle Vorhänge.
    Als Andrej von der bevorstehenden Veränderung erfahren hatte, reagierte er zunächst beleidigt, aber Tanja ging mit ihm ins Lazarett und machte ihn mit Ossja bekannt. Danach brachte er seine Eisenbahn in Ossjas Zimmer, baute sie auf dem Fußboden auf und setzte einen alten Plüschteddy aufs Bett.
    Der Feldscher Wassiljew trug Ossja ins Haus. Die paar Schritte vom Fahrstuhl bis zur Wohnungstür lief Ossja selbst. Die Dienstmädchen Marina und Klawdija stöhnten bei seinem Anblick im Chor, flüsterten dann lange miteinander und schüttelten den Kopf. Die Kinderfrau wehklagte, nannte Ossja eine arme Waise und küsste ihn auf die Stirn.
    Andrej war ein wenig enttäuscht, als Ossja, statt sich die Eisenbahn richtig anzusehen und begeistert zu sein, augenblicklich in seinem neuen Bett einschlief.
    Sweschnikow begann, sich um die Vormundschaft zu kümmern. Zusammen mit den offiziellen Bescheinigungen des Todes der Kindeseltern bei einem Brand in Charkow kam ein weiterer Brief von Professor Ljamport. Er berichtete, er habe vor kurzem in einem privaten Gespräch mit einem Gendarmerieoffizier, dem Vater einer kleinen Patientin, Einzelheiten über den Brand und das Verschwinden der Odessaer Schwester und ihres Mannes erfahren.
    »Die Nachforschungen werden fortgesetzt, neben der Kriminalpolizei nun auch von der Geheimpolizei. Ossjas Schwester Ada und ihr Mann Mark Rosenblatt sind aktive Mitglieder einer terroristischen Organisation, die den Bolschewiki nahesteht. Es gab da eine dunkle Geschichte um den Selbstmorddes Sohnes eines großen Odessaer Bankiers, um falsche Wechsel und Börsenmanipulationen. Ich will Sie nicht mit Einzelheiten langweilen, ich kenne sie auch nicht gut genug. Einiges stand in den Zeitungen, das meiste ist eher Phantasie als Wahrheit. Die Wahrheit ruht in den Akten von Kriminalpolizei und Geheimpolizei, aber vermutlich nicht die ganze. Eine Version lautet, Rosenblatt habe seinen Genossen eine gewaltige Geldsumme gestohlen und sie in der Nähe von Charkow versteckt, im

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