Bis zum bitteren Ende
entkommen.
Plötzlich spürte sie einen Zug und wurde vorwärts und nach links gerissen wie ein Hund an der Leine. Sie flog kopfüber durch die grotesken Leiber. Es war Señor Oscuro, der sie rief. Sie spürte es anhand der Natur des Zugs, der subtilen Empfindungen, die ihrer Verbindung mit ihm entsprangen.
Also ist er immer noch am Leben, dachte sie. Sie hatte gehofft, die Kreaturen hätten ihn zu Tode getrampelt.
Der Fels erbebte ohrenbetäubend unter ihr, als die Grundfesten des Bauwerks nachgaben. Die Brücke brach auseinander, da die Magie, die sie zusammengehalten hatte, sie in einem Nebel von Farben verließ. Lucero schoß Oscuro entgegen, und schließlich pflügte sie durch die vorderste Linie der Kreaturen und sah, was geschah.
Ein Wesen aus Metall und Fleisch, das so hell wie ein silberner Stern leuchtete, hielt einen glänzenden Gegenstand hoch über dem Kopf. Er war erstaunlich, und das Licht, das er ausstrahlte, erinnerte Lucero an Thayla. Es war dieser Gegenstand, der die Brücke zerstörte.
Bei diesem Wesen waren noch andere, Metamenschen. Einige von ihnen kannte Lucero bereits. Den Elf und den Mensch, die versucht hatten, Thayla zu retten. Vor scheinbar so langer Zeit. Buchstäblich in einem anderen Leben.
Ihrem Leben.
Der Elf arbeitete mit einer Elfe zusammen. Gemeinsam schmiedeten sie das Mana zu einer tödlichen Waffe und vernichteten die Kreaturen zu Tausenden bei ihrem Versuch, sie am Verlassen der Brücke zu hindern. Lucero flog direkt auf ihre Verteidigungslinie zu.
Der Mensch lag reglos unter einer riesigen Kreatur aus Knochenstacheln. Wunderbarerweise war die Kreatur tot, aber aus einem riesigen Loch in der Brust des Menschen sprudelte Blut, und er bewegte sich nicht mehr. Atmete nicht einmal.
Lucero nahm an, daß er tot sein mußte. Niemand hätte das überleben können.
Ein anderer Mensch - anscheinend ein Magier - bemühte sich, ihm zu helfen. Er sah schwächer aus als die anderen und wirkte erschöpfter, war jedoch entschlossen, seinem Freund zu helfen.
Lucero spürte, wie sie die Zersplitterung des metaplanaren Reisens erfaßte, als sie das Ende der Brücke erreichte. Sie wurde in die physikalische Welt gerufen. Señor Oscuros Werk?
In der letzten Sekunde ihrer Existenz auf dieser Ebene sah Lucero, wie der leuchtende Chrom-Cyborg mit dem Artefakt die Zerstörung dieser Brückenhälfte vollendete. Er benutzte das Artefakt, um alles Mana in den toten Menschen zu leiten. Leuchtende Pfeile aus weißem Mana bombardierten den leblosen Körper des Mannes und ließen ihn zucken und rucken.
Vielleicht war es ein letzter verzweifelter Versuch, den Menschen zu retten und seine Lebensenergie zu bewahren. Vielleicht konnten ihn der Magier und der Cyborg gemeinsam zurückholen.
Lucero wollte, daß es so geschehen möge, aber sie hatte keine Hoffnung. Thayla war tot, und die anderen - diese Helden - konnten niemals gewinnen. Es konnte ihnen einfach nicht gelingen, die Schönheit in die Welt zurückzubringen.
Überall ringsumher wirbelte Staub auf, als der Felsen zerbrach und fiel. Die Schreie der Abstürzenden hallten durch den Abgrund, so gräßlich, daß Luceros Blut dabei gefror.
Dann flog sie durch die Metaebenen und durch die wirbelnden Seidenvorhänge. Sie manifestierte sich in der physikalischen Welt neben Señor Oscuro. Sie standen Seite an Seite auf dem blutgetränkten Locus.
Oscuro zitterte unkontrolliert in der heißen Nachtluft. Der Schmerz grub scharfe Linien in sein Gesicht, und seine Nacken- und Rückenmuskeln verkrampften sich ruckartig. Aus seinen dunklen Haaren tropften Blut, Fleischklumpen und menschliche Ausscheidungen. Einen Augenblick glaubte Lucero, er werde sich auf dem harten Steinboden wie ein Fötus zusammenrollen.
Ringsumher setzte die Gestalt ihren Singsang fort, während die Blutmagier mit übergeschlagenen Beinen in einem Kreis um Lucero und Oscuro saßen.
Techniker überwachten die zehn Magier und sorgten dafür, daß die Katheter, welche den Blutkreislauf ermöglichten, intakt waren. Die Gestalt hielt den Wirbel aus astraler Energie aufrecht, der den Locus und die Geopferten mit der metaplanaren Brücke verband.
Oscuro riß sich zusammen und erhob sich. Er schrie die Gestaltmagier an: »AUFHÖREN!«
Die Blutmagier reagierten nicht. Sie schienen ihn nicht zu hören.
Er sah Lucero an. »Sorge dafür, daß sie aufhören. Die Verbindung muß getrennt werden, bevor...«
Ein unterschwelliges Grollen ließ Lucero innerlich erbeben. Was geht hier
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