Bis zum Hals (T-FLAC) (German Edition)
vielleicht war er doch tot?
Leli’a lehnte sich über den Tisch. »Lassen Sie mich Ihnen etwas erklären, Schätzchen. Mein Urgroßvater hat jede dieser Perlen vor mehr als siebzig Jahren einzeln aus dem Riff von Bora-Bora hochgetaucht. Er ließ in Paris eine Kette für meine Urgroßmutter daraus machen. Sie sind in meiner Familie von Generation zu Generation von der Mutter auf die Tochter weitervererbt worden. In meiner Familie, Sie Schlampe! Nicht Ihrer. Die Perlen gehören mir 一 seit jeher! «
Tally runzelte die Stirn. »Sie sagen also, dass mein Vater sie Ihrer Familie gestohlen und dann mir geschenkt hat? «
»Ich sage, dass mein Vater sie mir gestohlen hat, um sie Ihnen zu geben«, erklärte Leli’a mit ausdrucksloser Stimme. Ihre schwarzen Augen blickten Tally unverwandt an.
Doch Tally schaute in die andere Richtung, als man eine zweite Ladung Wasser über Michael goss. Verdammt. Warum wachte er nicht auf? Sie sah wieder Leli’a an. »Ich bin mir sicher, dass mein Vater eine Quittung hat. Er hat sie mir vor Jahren gegeben. Sie sind damals bestimmt noch ein Kind gewesen. Vielleicht hat Ihr Vater sie verkauft…«
»Und Sie sind nicht gerade intelligent, was? «, meinte Leli’a spöttisch und verfiel wieder in den Inselakzent, als sie giftig hervorstieß: »Mein Vater heißt Trevor Church. «
Tally hörte sie ganz deutlich, aber sie fragte trotzdem. »Wie bitte?«
»Er lebte mit meiner Mutter zusammen, als Sie mit Ihrer Mutter vor zig Jahren auf Papeete aufkreuzten, um nach ihm zu suchen. Ich bin viel mehr seine Tochter, als Sie sich je erträumen können. «
Auf einmal hatte Tally das Gefühl, einen Schlag in den Magen empfangen zu haben.
Sie bezweifelte Leli’as Behauptung keinen einzigen Augenblick. Sie und Bev waren vor Jahren aufgrund eines dürftigen Hinweises nach Tahiti gekommen, um Trevor ausfindig zu machen. Tally erinnerte sich an lange, einsame Tage und noch längere, einsame Nächte. An die Verzweiflung ihrer Mutter. Ihre eigene Sehnsucht. Sie waren beide voller Hoffnung gewesen. Und am Ende stand doch nur wieder eine weitere bittere, niederschmetternde Enttäuschung.
Himmel, welch eine Ironie des Schicksals! Sie hatte sich immer eine Schwester gewünscht. Wenn sie nur gewusst hätte … ja, was dann?
Sie streckte die Hand nach dem Saft aus, der auf dem Tisch stand, und stürzte ihn in einem Zug hinunter, ohne sich darum zu kümmern, was es war. Denn sie schmeckte ohnehin nichts. Hatte ihr Vater Leli’a zurückgelassen, wenn er seine Tasche packte und auf eine seiner ominösen Geschäftsreisen ging? Hatte er das kleine, dunkelhaarige Mädchen mitgenommen? Hatten Trevor Leli’a und deren Mutter mehr bedeutet als Tally und Bev jemals? Hatte er angerufen und Leli’a den Mond versprochen, um dann doch nichts mitzubringen? Hatte er ihrer Halbschwester gesagt, dass er sie liebe? Und es auch so gemeint?
Jemine, warum tat es nur so schrecklich weh? Es war ja nicht so, dass sie und ihr Vater je eine enge Beziehung zueinander gehabt hätten. Aber Leli’a war all diese Jahre bei ihm gewesen, während Tally es entzückt hätte, ihn nur für ein paar Stunden zu sehen … dann und wann.
Eine überwältigende Mischung aus Schmerz, Eifersucht, Wut und verletzten Gefühlen erfüllte Tally. Sie litt an dem Verrat ihres Vaters - an sich selbst, an ihrer Mutter. Tränenlos starrte sie Leli’a an. Sie sah wahrscheinlich wie ihre Mutter aus, obwohl 一 jetzt, wo Tally es wusste, nahm sie an, dass die Tahitianerin das leicht schiefe Lächeln eher von ihrem Vater 一 von Trevor 一 hatte. Bitte! Sie musste an irgendeinen ruhigen Ort, um all das Gehörte zu verarbeiten und mit sich wieder ins Reine zu kommen.
Ein Blick in die frohlockenden Augen von Leli’a brachten sie jedoch davon schnell ab.
»Warum sollte er Ihnen die Perlen stehlen, um sie dann mir zu geben? Das ergibt keinen Sinn. «
»Weil sie perfekt aufeinander abgestimmt und unbezahlbar sind. Ich trug sie an dem Nachmittag, als er sich an Ihrem Geburtstag mit Ihnen treffen wollte. Er war böse auf mich. Aus reiner Boshaftigkeit nahm er sie mir weg und gab sie Ihnen. Aber sie gehören mir! «
Tally hatte sich so erwachsen gefühlt, als er ihr beim Abendessen die Perlen präsentierte. Verdammt. Es war nur Einbildung. In Wirklichkeit hatte sie ihm überhaupt nichts bedeutet. »Ich gebe Ihnen die Perlen, wenn wir wieder auf der Insel sind«, versprach Tally der jungen Hyäne.
Sie legte ihre Hand auf den schrecklich brennenden Schmerz in
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