Bis zum Hals (T-FLAC) (German Edition)
dachte. An ihn dachte.
Doch nun wollte sie die sinnliche Lethargie abschütteln. Das eine war vergangene Nacht, jetzt war jetzt.
Im Gegensatz zu ihrer völligen Erschlaffung schien Michael, als er sich über sie beugte, um ihr einen Kuss zu geben, bevor er ging, ziemlich angespannt. Konnte es sein, dass er ein wenig das spürte, was auch sie fühlte? Trennungsangst? Sie lächelte wehmütig.
Recht unwahrscheinlich.
Eher hegte sie den Verdacht, dass der sich in die Länge ziehende Aufenthalt auf Paradise Michael Wrights Geduld auf die Probe stellte. Er war es einfach nicht gewöhnt, so lange an einem Ort zu verweilen. Ganz offensichtlich brannte er darauf, zu seinem nächsten Abenteuer aufzubrechen.
Wie lange würde er wohl noch bleiben, wenn es keine Reparaturen mehr gab? Eine Stunde? Einen Tag?
Es war gerade erst neun Uhr morgens. Sicher hatten sie die Arbeiten am Mast bis zum Nachmittag längst abgeschlossen.
Ihr Vater würde heute spät am Tage eintreffen. Gestern Abend sprachen sie darüber. Michael wusste, wie sehr es ihr am Herzen lag, dass dieses Treffen ein Erfolg wurde.
Ob er blieb, um bei ihr zu sein? Um zu sehen, wie sich die Dinge mit ihrem Vater entwickelten? Oder hielt er es inzwischen für höchste Zeit weiterzuziehen, sie zum Abschied zu küssen und ihr alles Gute zu wünschen?
Wieder fuhr sie sich mit den Fingern durch das trocknende Haar, während sie versuchte, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
Bezüglich ihrer Kleidung war die Situation katastrophal. Sie wollte sich nicht mit ihrem Vater treffen, während sie ein Paar von Michaels grellen Shorts trug - noch hatte sie vor, sich in der Inseltracht zu zeigen, wenn sie sich das erste Mal nach sechs Jahren wieder sahen.
»Wenn ich nähen könnte, was nicht der Fall ist«, erklärte sie Lucky, der auf dem Stuhl lag und sich leckte, »würde ich mir irgendetwas Elegantes aus den Vorhängen schneidern, wie einst die selige Scarlett O’Hara. « Nun, es hatte keinen Sinn, an nicht vorhandene Nähkünste zu denken.
Glücklicherweise erinnerte sie sich daran, dass sie ihre eigenen Shorts zusammen mit dem ärmellosen Shirt in ihren Strandbeutel gestopft hatte. Dazu gehörten auch noch ein paar Sandalen und ein Kosmetiktäschchen mit dem Allernotwendigsten. »Zumindest werde ich nicht völlig daneben aussehen …«
Sie hatte die Shorts und das Top gewaschen und zum Trocknen über die Rückenlehne des Stuhls gehängt.
Gemischte Erwartungen erfüllten sie. Die Erregung vor der Begegnung mit ihrem Vater am heutigen Nachmittag konkurrierte mit den Gedanken an die letzte Nacht und an Michael.
Keiner der beiden Männer gewährte ihr ausreichend innere Gelassenheit, um einfach nur still dazusitzen und abzuwarten. Etwas musste sie unternehmen!
Tally tigerte von einem Ende der Veranda ans andere und wieder zurück.
Du große Güte! Sie hatte wirklich etwas richtig, richtig Dummes getan.
Es stand zu befürchten, dass sie sich in ihren Urlaubsflirt verliebt hatte.
Das war nicht nur dumm, sondern außerordentlich dumm.
Sie hatte ihn nicht darum gebeten zu bleiben, wenn die Reparaturen beendet waren. Aber wenn sie es getan hätte … würde er ihr dann den Wunsch erfüllen?
Wäre sie wegen des bevorstehenden Treffens mit ihrem Vater nicht so angespannt gewesen, hätte Tally Michael bestimmt gefragt, ob er seinen Aufenthalt nicht noch ein paar Tage ausdehnen könnte. Aber was würde sie auf lange Sicht damit erreichen? Nichts. Irgendwann würde er sich doch auf den Weg machen. Ohne den Wunsch nach einem Zuhause und ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen …
Und irgendwann würde sie nach Chicago zurückkehren.
Ihr Liebesspiel in der letzten Nacht war voller Zauber gewesen. Sie hatte die intimen Stunden in seinem Bett absolut genossen. Miteinander ohne Vorbehalte, Erwartungen oder Einschränkungen zu schlafen war ein schier unglaubliches Erlebnis gewesen.
Aber sich in den Mann zu verlieben zeugte wirklich von extremem Leichtsinn.
»Er ist der Wind, und ich bin die Erde. « Und wenn er auch über sie hinwegstrich, so würde er sich doch nie niederlassen. Tally drehte sich zu Michaels Kater um. »Ziemlich poetisch, was?«
Lucky schaute sie unter seinem hochgereckten Hinterbein an, dann fuhr er fort, sich zu putzen.
Sie richtete ihren Blick wieder auf den an seinem Boot arbeitenden Michael. Jenes Boot, welches ihn innerhalb von Stunden von hier fort aus ihrem Leben tragen würde.
Ihr Herz schlug schmerzhaft, und in ihren Augen brannte es. Er
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