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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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mich dabei, dass ich die Schrift beliebäugelte wie junge Mütter ihre kleinen, blauköpfigen Monströsitäten. Ich riss mich zusammen.
    »Okay«, sagte ich. »Doch im Gegenzug bringen Sie mich auf den neuesten Stand Ihrer Ermittlungen.«
    »Wir haben keine neuen Erkenntnisse.«
    »Und mir erlahmt jegliches Interesse an einer Zusammenarbeit.«
    »Kryszinski, von unserer Warte aus gibt es nichts, aber auch gar nichts, woran wir zusammenarbeiten könnten!«
    »Ganz mein Reden«, sagte ich und legte auf.
    Ich wählte die Nummer vom Handelshof und erfuhr, dass Frau Jalnikowa aus dem Haus gegangen sei und dass sie keine Nachricht hinterlassen habe.
    Vielleicht war sie ja auf dem Weg zu mir, also beschloss ich, noch ein Weilchen zu warten, griff mir den Block und wählte die darauf notierte Nummer.
    Vonscheidt war erst mal Selbstbeherrschung, Vernunft und Verhandlungsbereitschaft in Person. Das geriet ins Wackeln, als ich ihm ankündigte, meine Forderung werde sich um den Betrag einer fetten Krankenhausrechnung erhöhen. Dann versuchte er, mich zu leimen, was die Front zumindest auf meiner Seite weiter verhärtete.
    »Erst mal können Sie mir den Smart überhaupt nicht überlassen, weil Sie ihn schon längst geklaut gemeldet und damit Ihrer Versicherung übereignet haben, zweitens würde ich diese motorisierte Gehhilfe nicht haben wollen, und wenn es das letzte Auto auf Erden wäre.«
    »Der Hummer ist verkauft! « , brüllte er.
    »Ich weiß«, sagte ich sanft.
    »Ich muss den Schlüssel haben!«
    »Sagen Sie mal«, wunderte ich mich laut, »warum lassen Sie nicht einfach einen nachmachen?«
    »Weil das ein H1 ist!«, bölkte er mir ins Ohr. »Erste Serie! Die Schlüssel für diese Autos sind US-Army-spezifiziert! Die muss man in den USA bestellen, beim gottverdammten Verteidigungsministerium, und das kann Wochen dauern!«
    »Tja«, sagte ich. »So was auch.«
    »Kryszinski, der Käufer dieses Wagens ist ein …«, er senkte die Stimme, »… russischer Geschäftsmann. Muss ich mehr sagen? Sie bringen mir jetzt den Schlüssel, oder ich gebe Ihren Namen an meinen Kunden weiter. Und das wollen Sie nicht, glauben Sie mir.«
    Noch ein Russe. Ich sag’s doch. Plötzlich sind sie überall.
    »Ich gebe Ihnen drei Tage, zu zahlen, Vonscheidt. Zweiundsiebzig Stunden, von jetzt an. Danach schmeiße ich den Schlüssel in den Fluss. Und das wollen Sie nicht, da bin ich mir vollkommen sicher.«
    Und aufgelegt. Als ob es einen Käufer auch nur im Geringsten interessierte, was für einen Ärger der Verkäufer mit jemand Drittem hat. Absurd. So langsam begann ich mich wieder fitter zu fühlen, die alten Reflexe kehrten zurück. Ich blickte auf die Uhr. Anoushka hätte inzwischen eigentlich Zeit genug gehabt für den Weg vom Handelshof hierher, aber vielleicht war sie ja den Verlockungen der zahlreichen Ein-Euro-Shops erlegen, die sich wie Perlen an der Schnur durch unsere Fußgängerzone ziehen, seit die Verwaltungen unserer wie der Nachbarstädte sich in seltener Einigkeit darauf verständigt haben, durch Genehmigung immer größerer Mails in den Randgebieten die Verödung der Innenstädte schwungvoll voranzutreiben.
    Ich gab ihr noch eine Viertelstunde und wählte die Nummer des Spracheninstituts, wo man mir nach umständlichen Recherchen mitteilte, Sprachlehrer Gisbinjew habe heute seinen freien Tag, und Privatnummern weiterzugeben sei nicht gestattet. Nicht mal, wenn es aber wichtig ist.
    Die Katze erschien und strich mir quäkend um die Beine, bis ich ihr den Napf füllte, und dann war die Viertelstunde um und ich rief noch mal im Hotel an, doch Anoushka war noch nicht zurück, also schrieb ich ihr einen Zettel, klebte ihn an die Tür und machte mich auf die Socken.
     
    Gisbinjew hatte versprochen, die Übersetzung von Dimitrijs Brief an Scuzzi zu mailen, also fuhr ich zu Scuzzis Wohnung, nach Oberhausen. Ein grauer Audi folgte mir ein Stück der Strecke, doch dann bog ich ab, und er verschwand aus meinem Spiegel. Allerdings nur, um kurz darauf von einem anderen grauen Audi ersetzt zu werden. Auch dessen und mein Weg trennten sich schon bald wieder, dann stoppte ich an einer größeren Kreuzung und zählte gleich drei graue Audis vor, hinter und neben mir, und von da an gab ich es auf, weiter darauf zu achten.
     
    Fünf Etagen! Scuzzi wohnt unterm Dach von Oberhausens wahrscheinlich höchstem Gebäude, und ich hätte mir am liebsten etwas angetan, als ich, vom Schopfe bis hinunter zu den Sohlen gehüllt in feinen Schweiß, vor

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