Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudenkauf
Vom Netzwerk:
seine Lehrerin einfach. »Sind Sie sicher, dass Sie nie in Revelation, Arizona, gewesen sind? Das liegt gleich neben Phoenix …«
    »Ja, ich bin mir sicher. Hab noch nie von dem Ort gehört.«
    »Sie würden sich an meine Mom erinnern. Sie ist sehr hübsch. Sie hat braunes Haar. Ich weiß, so wie ich das sage, klingt das nicht hübsch, aber das ist es. Ganz weich und glänzend. Sie hat blaue Augen, und sie ist dünn, aber nicht zu dünn.« P. J. beugte sich über seinen Tisch. »Sie hätten sie vor ungefähr neun Jahren gekannt, würde ich schätzen.« Der Mann beschloss, P. J. zu ignorieren und einen weiteren Schluck aus seiner Wasserflasche zu trinken. »Waren Sie bei den Marines? Sie sehen aus, als könnten Sie ein Marine sein. Meine Mom sagt, mein Dad war ein Marine und musste in den Krieg ziehen. Waren Sie auch im Krieg?«
    Mrs Oliver war so gefesselt von P. J.s Erzählung, dass sie im ersten Moment gar nicht daran dachte, diese Gelegenheit für einen Anruf zu nutzen.
    »Hör mal … Parker«, sagte der Mann beinahe freundlich mit einem Blick auf P. J.s Namensschild auf dem Tisch.
    »Mein Name ist P. J.«, korrigierte P. J. ihn steif und riskierte einen Blick zu Mrs Oliver, die damit beschäftigt war, in ihrer Tasche herumzufummeln. P. J. hatte sie oft gebeten, ihm ein neues Namenschild zu machen, auf dem P. J. stand.
    »Okay,P . J.«, lenkte der Mann ein. »Ich bin niemals in Revelation, Arizona, gewesen. Ich habe deine Mutter nie kennengelernt.« Mit einem Mal blitzte Verständnis in seinen Augen auf. »Und ich bin definitiv nicht dein Vater, der hierhergekommen ist, um dich zu entführen, damit wir beide glücklich bis an unser Lebensende zusammenwohnen können. Hast du dich jemals im Spiegel angeschaut? Wir sehen einander überhaupt nicht ähnlich. Ich habe blaue Augen. Du sagst, deine Mutter hat auch blaue Augen. Aus zwei Paar blauen Augen entstehen keine braunen Augen. Doch deine Augen sind braun. Vergiss es, Parker. Wenn dein Dad bisher nicht nach dir gesucht hat, wird er es auch nicht mehr tun. Und jetzt halt den Mund und lass mich in Ruhe.«
    Ein wahrer Wirbelsturm an Gefühlen tobte über P. J.s Gesicht, und am Ende blieb nur die Wut zurück. »Nun, ich bin froh, dass Sie nicht mein Dad sind«, sagte er schließlich so leise, dass der Mann sich anstrengen musste, um ihn zu verstehen.
    »Mein Dad war ein Marine, und er wäre niemals mit einer Waffe in eine Schule gekommen, um den Leuten Angst einzujagen. Sie sind ein Blödmann.«
    Zu P. J.s Beschämung lachte der Mann. »Man hat mir schon viel Schlimmeres nachgesagt, Parker, aber ich schätze, du hast recht. Ich bin ein Blödmann. Und jetzt halt den Mund.«
    »Mein Name ist P. J.«, protestierte er noch einmal und sackte dann auf seinem Stuhl zusammen und vergrub sein Gesicht in den Armen auf seinem Tisch.
    Mrs Oliver hätte am liebsten für ihn geweint. Der Mann hätte ein bisschen sanfter sein können. Sie erkannte außerdem, was für ein Opfer P. J. für sie und seine Klassenkameraden gebracht hatte. In den ganzen Wochen, die er nun schon an dieser Schule war, hatte P. J. nicht ein Mal ein Wort über seinen Vater verloren. Er sprach von seiner Mutter, von seiner Schwester und den Großeltern. Aber niemals von seinem Vater, obwohl die anderen Schüler ihn öfter danach fragten. P. J. hatte dann immer nur mit den Schultern gezuckt und schnell das Thema gewechselt.
    Weil P. J. den Mann ein paar Sekunden lang abgelenkt hatte, war Mrs Oliver in der Lage gewesen, den ersten Namen auf ihrer Telefonliste auszuwählen und den Anruf abzuschicken. Mit etwas Glück würde Cal genau in diesem Moment ihrer Unterhaltung zuhören.

WILL
    »Theodore.« Will schüttelte den alten Mann leicht an der Schulter, bis dessen schwere Lider sich öffneten und er ihn aus verschleierten Augen anschaute. »Theodore, hat Ray dir das angetan?«, fragte Will. Theodore nickte, sein Doppelkinn zitterte zustimmend. »Ich rufe Hilfe.« Vorsichtig nahm er Theodore das blutgetränkte Handtuch ab und ersetzte es durch ein neues, das er aus dem Handtuchregal nahm und vorsichtig gegen Theodores Kopf drückte.
    Erneut zog Will sein Handy aus der Brusttasche seines Overalls und wählte dieses Mal ohne zu zögern den Notruf. Besetzt. »Mein Gott«, murmelte er und versuchte es noch einmal. Wieder hörte er das monotone Piepen einer besetzten Leitung.
    Will schaute sich hilflos um. Theodore Cragg wog bestimmt zweihundertfünfzig Pfund. Und er befand sich nicht in einem Zustand,

Weitere Kostenlose Bücher