Bis Zum Letzten Tropfen
versuchen sie das so verzweifelt?
Erneut späht er hinaus in die hellerleuchtete Nacht hinter dem dunklen Glas.
– Das würde mich wirklich interessieren.
Er lächelt sein Spiegelbild an.
– Aber ich finde es schon noch heraus.
Er schließt die Augen.
– Noch bevor dies hier zu Ende geht.
Er lässt mich mitten auf dem Times Square raus. Dort erregt mein auffälliges Erscheinungsbild noch am wenigsten Aufsehen. Wieder spüre ich diese magnetische Anziehungskraft, die mich nach Süden in Richtung Downtown zieht.
Doch ich beherrsche mich und marschiere in die Gegenrichtung.
Inzwischen sind zu viele Spieler mit von der Partie. Zu viele kleine, unbekannte Objekte auf willkürlichen Flugbahnen. Da ist es wohl das Beste, mich ebenfalls unberechenbar zu verhalten. Indem ich einen Pfad einschlage, den andere für mich vorgezeichnet haben.
Um bei nächstbester Gelegenheit davon abzuweichen.
Meine Rückkehr kommt nicht unerwartet.
– Schon wieder da?
Ich spaziere zur Hausbar, hole mir ein Glas und die Flasche, die ich bei meinem letzten Besuch nicht ganz geleert habe.
– Sieht so aus, als wäre ich momentan überall, wo ich hinkomme, eine persona non grata.
Amanda schlendert zu mir herüber.
– Das wundert dich?
Ich hebe das Kinn und zeige ihr die fast völlig verblassten Würgemale.
– Ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht die Gans schlachten, die goldene Eier legt. Aber dass ich es trotzdem gleich mit Hurley zu tun kriege, sobald ich mich blicken lasse, hat mich dann doch überrascht.
Sela schiebt das Kinn vor.
– Wie sieht er aus?
Ich mache mir einen Drink.
– Hurley? Sieht aus wie ein Kerl, den du in den Kopf hättest schießen sollen, als du die Gelegenheit dazu hattest.
Ich hebe mein Glas in ihre Richtung.
– Danach zu urteilen, wie sehr er sich gefreut hat, mich zu sehen, rate ich dir dringend, dich von ihm fernzuhalten.
Sie stemmt die Hände in die Hüften.
– Der macht mir keine Angst.
– Dann, Lady, bist du mehr Mann als ich.
Ich nehme einen Schluck.
Amanda schaufelt etwas Eis in ein Glas und gießt Wodka darüber.
Sela runzelt die Stirn.
– Du solltest nicht trinken. Du bist völlig erschöpft.
Amanda lässt ihr Glas gegen meines klirren.
– Joe ist wieder da. Darauf müssen wir trinken.
Sie trinkt darauf.
Ich trinke ebenfalls, aber auf nichts Besonderes.
Sie geht zu Sela hinüber und drückt ihre Hand.
– Jetzt mach dich doch mal locker, Baby.
Sela umklammert die Hand des Mädchens.
– Ich mach mir doch nur Sorgen um dich.
Amanda streichelt ihre Wange.
– Und das machst du voll gut. Aber jetzt brauch ich einfach einen Drink . Und ich will, dass du für ein paar Minuten meine Freundin bist und nicht mein beschissenes Kindermädchen.
Sela tritt einen Schritt zurück und entzieht ihr die Wange.
– Das kann ich nicht einfach an- und abschalten. So funktioniert das bei mir nicht. Für mich gehört das zusammen: deine Geliebte und dein Bodyguard zu sein. Und ich kann dich nur beschützen, wenn du auf mich hörst.
Amanda seufzt.
– Okay, ich höre.
Sie zieht ein übertrieben aufmerksames Gesicht.
– Was mache ich denn jetzt gerade wieder falsch?
Sela fletscht für einen Augenblick die Zähne.
– Du meinst, abgesehen davon, dass du dich mit Stress, Schlafmangel, zu viel Schnaps und zu wenig Sport fast umbringst? Dass du alles, was wir hier aufgebaut haben, aufs Spiel setzt? Dass du das Wohlergehen der Leute, die du hier aufnimmst, in Gefahr bringst? Nun, abgesehen von alldem, halte ich für einen großen Fehler, dass du ein gewaltiges Sicherheitsrisiko einfach so ins Vertrauen ziehst.
Sie deutet auf mich.
– Du. Kannst. Ihm. Nicht. Vertrauen.
Sie deutet auf Amanda.
– Jetzt noch weniger als früher.
Sie fixiert mich und schüttelt den Kopf.
– Angeblich hat er gerade Terry Bird getroffen. Ist kurz mal nach Downtown gefahren, hat sich mit Hurley gezofft und ist schon wieder zurück? Wie soll denn das gehen? Das kann ich dir sagen: überhaupt nicht. Erst spioniert er für Predo, was er uns auch brühwarm erzählt. Und kurz darauf, gehabt euch wohl, verschwindet er auch schon wieder.
Ich hebe die Hand.
– Gehabt euch wohl, so was hätte ich nie gesagt.
Sie schüttelt den Kopf.
– Lass bloß diesen Scheiß, Pitt. Komm mir ja nicht komisch. Du sagst, es wäre vernünftig, einen von uns umzubringen? Diesen armen, halbverhungerten, verzweifelten Hurensohn im Keller? Jetzt sag ich dir mal, was ich vernünftig finde.
Sie streckt einen
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