Bis Zum Letzten Tropfen
Partisanen die Waffe weggenommen.
Also sage ich ihm die Nummer und das Passwort und wie viel Amanda überwiesen hat, anstatt ihn mit Kugeln zu durchlöchern.
– Sie hat dich wirklich ins Herz geschlossen, Joe. Das ist mein Ernst. Obwohl mir Geldgeschenke als Beweis der Zuneigung zuwider sind und sie, na ja, sowieso genug davon besitzt, kommt es mir doch so vor, als wollte sie dir damit demonstrieren, wie sehr sie dich schätzt. Nicht, dass ich damit dem Konzept, den Wert eines Menschen oder jeder anderen Lebensform in Geld zu messen, das Wort reden will.
Ich winke ab.
– Wie gesagt, Terry, ich bin mit Finesse vorgegangen.
Er mustert mich über den Rand der nutzlosen Brille hinweg.
– Mann, da wär ich gerne dabei gewesen.
– Na ja, Terry, dieses Geld bringt mich wieder ins Spiel. Es bringt mich hierher zurück. Und jetzt steck mich in irgendein ruhiges Eckchen und verschaff mir etwas Spielraum, damit ich mich frei bewegen kann.
Er nickt.
– Klar, Mann. So war’s abgemacht.
Ich stehe auf.
– Gut. Der Handel wäre abgeschlossen und das Kriegsbeil begraben. Kann also nicht schaden, wenn ich es dir erzähle.
Er legt Zettel und Stift beiseite.
– Was hast du auf dem Herzen, Joe?
Ich schüttle den Kopf.
– Na ja, ich sollte dir doch erzählen, wie es war. Wie raffiniert ich vorgegangen bin.
Ich betrachte den Boden zwischen meinen Füßen. Über die Holzdielen zieht sich eine tiefe Rille, als hätte man etwas Schweres darübergeschleift.
– Ja, also, wie war das? Wie war es, in ein Loch zu steigen und Dutzende von stumpfsinnigen, stummen und halbverhungerten Kindern vorzufinden, mit Schläuchen in den Armen, damit das Blut besser abfließen kann? Wie ist es, wenn man in so ein Loch guckt und eine ganze Reihe von roten Lichtern sieht, immer tiefer, so dass man sich ausrechnen kann, dass Hunderte von ihnen da unten sein müssen?
Ich sehe ihn an.
– Und, Terry, ich frage mich, ob dir das irgendwie bekannt vorkommt? Ob du vielleicht zufällig auch schon mal dort gewesen bist?
Er nimmt die Brille ab, betrachtet sie und legt sie weg.
– Ja.
Er reibt sich die Augen.
– Ja, das war ich.
Ich nicke.
– Mann. Das war wirklich clever.
Er sieht mich an.
– Was?
– Dass du deinen Jungs gesagt hast, sie sollen mir die Knarre wegnehmen. Das hat dir gerade das Leben gerettet.
– Schon irgendwie gut, mal drüber reden zu können. Weißt du, das Schlimmste an einem Geheimnis ist ja, dass es einen so furchtbar belastet. Verstehst du? Dieses Ungleichgewicht. Das ist wie bei der Diffusion von Gas. Gas versucht ja auch immer, sich gleichmäßig in einem Medium zu verteilen, oder? Du atmest zum Beispiel Rauch aus – was ich übrigens hier drin immer noch nicht gutheißen kann –, aber du atmest Rauch aus, und dieser Rauch bleibt ja nicht an dir hängen – was mir übrigens sehr recht wäre –, sondern er verteilt sich langsam in der Luft. Weißt du, und darüber hab ich lange nachgedacht, mit einem Geheimnis ist es so ähnlich. Es will – und jetzt wird’s ziemlich abgehoben, das ist nämlich einer meiner abgehobeneren Einfälle –, es will sich verbreiten. Genau wie Rauch. Bis es gleichmäßig in der Atmosphäre verteilt ist. Klar? Daher auch der Druck, wenn man ein Geheimnis für sich behalten muss. Die Geheimnisse wollen raus, Mann. Überallhin. Besonders dann, wenn das Geheimnis die Wahrheit ist. Verstehst du? Die Wahrheit will raus, will in alle Ecken und Winkel dringen, will in jeden einzelnen Kopf. Die Wahrheit lässt sich nicht gern einsperren. Sie will frei sein. Aber das habe ich akzeptiert. Du weißt, dass ich das akzeptiert habe. Darum geht’s doch bei der Society. Dass die Wahrheit ans Licht kommt.
Mit geschlossenen Augen reibt er sich die Stirn, drückt die Fingerspitzen tief in die Schläfen.
– Aber nicht die ganze Wahrheit auf einmal. Wenn irgendwas unter hohem Druck steht, kann man es nicht einfach so rauslassen, ohne dass es, na ja, explodiert. Und dabei können Menschen zu Schaden kommen. Weißt du, das Leben, das wir führen, das Leben mit dem Vyrus, das kann man ja schlecht mit dem Druck vergleichen, der in einer Limodose herrscht. Wenn du diese Wahrheit rauslässt, wird es richtig krachen. Das Vyrus ist eine Bombe, Mann. Es ist, und das ist keine Übertreibung, es ist eine Atombombe. Ihre Explosion würde die Welt in ihren Grundfesten erschüttern.
Er hört auf zu reiben und vergräbt den Kopf in den Händen. Die Augen hält er nach wie vor geschlossen.
– Und
Weitere Kostenlose Bücher