Bismarck 01
wurde«, lachte der Herr v. Schierstädt, der sich sonst fernhielt und nur als Kirchenpatron später in die allgemeineBewegung verwickelt wurde. »Die Eröffnungsrede im Weißen Saal hat nicht gerade Anklang gefunden und Seiner Majestät die getreuen Stände schon ein wenig entfremdet.«
»Ich habe die Rede gelesen«, brach der Deichhauptmann kurz ab.
»Na, was sagen Sie dazu? Wes das Herz voll ist, dessen geht der Mund über. Aber hier floß ein Mund von Metaphern über, ohne daß man spürt, wovon das Herz voll – doch pardon, ich verletze die schuldige Ehrerbietung.«
»Wir wollen uns keine Kritik erlauben,« fiel Wartensleben ein, »aber das verstehe ein anderer! Majestät erklären sich feierlich als unversöhnlicher Feind des Absolutismus, deshalb würden allerhöchst sie ihre Krongewalt ungeschwächt erhalten! Nie dürfe ein Blatt Papier zwischen ihn, den Herrgott im Himmel und seine Untertanen treten. Geschriebene Paragraphen sollten nicht die alte heilige Treue ersetzen, das natürliche Verhältnis von Fürst und Volk nicht ein konventionelles sein. Dann erhob sich der hohe Herr vom Thronsessel und bekannte: ›Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen.‹ Nur kein Gelüst nach Selbständigkeit bei echten Preußen! Also aus der Fülle seines Herzens Willkommen, Versprechen, Drohungen, Warnungen, Beteuerungen! Auf solche Weise wird ein Gebildeter, der mit der öffentlichen Meinung marschiert, doch wirklich ins Lager von Seiner Majestät allergetreuester Opposition hinübergedrängt.«
»Mir ist aber der Satz aus der Seele gesprochen,« trumpfte der so viel jüngere Schönhauser ab, »Preußen sei auf Zentralismus der Regierung durch seine geographische Lage angewiesen, wie eine belagerte Festung dem Kommandanten untersteht.«
»Es kann doch aber nicht immer Belagerungszustand sein und absolutes Kriegsrecht walten«, fiel Herr v. Schierstädt ein. »Sehen Sie, ich mag ja auch nicht gutheißen, welche dreiste Lippe der liberale ostpreußische Adel riskiert. Alfred Auerswald und der v. Saucken bekennen sich ja als richtige Demokraten, wenigstens nach unseren Begriffen. Aber das mußte die Versammlung doch gleich in Mißmut versetzen, daß Seine Majestät ohne weiteres ihr vorhielten, er würde sie nie berufen haben, falls er geargwohnt hätte, die Abgeordneten würden sich mißverständlich für sogenannte Volksvertreter halten. Das Kurze und Lange war: man würde sie nach Hause schicken, falls sie sich nicht anständig benähmen. Seine königliche Großmut mache dem Zeitgeist unverdiente Zugeständnisse.«
» De jure ist das auch so«, erinnerte Bismarck trocken. »Der König von Preußen ist absoluter Herrscher von Gottes Gnaden, und es ist ein in der Geschichte seltenes Ereignis, wenn er sich freiwillig einiger Rechte entäußert.«
»Freiwillig wohl nicht so ganz«, Wartensleben zuckte die Achseln. »Der Druck der öffentlichen Meinung ist am Ende auch ein Zwang.«
»Bah, Zeitungspapier. Im übrigen stimmen wir ja überein,daß eine gewisse Kontrolle den Absolutismus beschränken müßte. Sonst gewinnen allerlei unberufene Günstlinge die Oberhand, vor allem Weiber und Pfaffen.« In diesem Augenblick suchte ihn ein Expreßbote mit einem Eilbrief aus Berlin. »Sie entschuldigen, daß ich packen muß. Die Herren v. Bülow-Kammerow und Dewitz-Wilzow sowie ein Stadtrat aus Magdeburg laden mich ein, unverzüglich nach Berlin zu kommen wegen hochwichtiger Konferenz. Was mag das sein? Wohl wegen Patrimonialgericht!« – –
»Sie dürfen sich dem ehrenvollen Antrag nicht entziehen«, beteuerten die ständischen Herren, mit denen er in Berlin zusammentraf. »Brauchitzsch will, obschon von seiner Erkrankung halb genesen, nur dann austreten, wenn Sie sein Mandat übernehmen. Wir haben eben alle ein besonderes Vertrauen zu Ihnen, daß Sie den Kreis am besten vertreten werden.«
»Von Herzen Dank! Aber, meine Herren, ich stehe vor meiner Verheiratung, die ich dann verschieben müßte. Das ist viel verlangt.«
»Das Vaterland ruft und ist in Gefahr. Der Landtag wird täglich toller, alle Besonnenen müssen ihn am Wickel nehmen. Nicht etwa als ob – mißverstehen Sie nicht, wir alle sind auch für gewisse Reformen, aber dies Tempo Fortissimo kann ein loyaler Preuße nicht mit ansehen.«
»Ist's denn so arg? Man wird doch nicht den schuldigen Respekt vor der Krone verletzen?«
»Und ob! Kommen Sie mal 'rin in die gute Stube!« rief Herr v. Bülow, »da werden Sie Ihr blaues Wunder erleben. Die Ostpreußen
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