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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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sich hinein. Wie der alte Knabe noch schlingt und kaut! Damals zog mich nach dem Diner, wenn man mich als gesättigt fortschickte, die Kammerjungfer beiseite, die mich bemutterte, und stopfte mich mit Baisertorte voll. Wie stehlen doch all diese Domestiken, die Lakaien halbleere Weinflaschen, die Zofen Kuchen und Dessert! Das frißt an jeder hochadeligen Wirtschaft. Ach, mein guter Vater ist ein Verschwender, ich auch, das liegt im Blute. Damals hab' ich mir meinen kindlichen Magen verdorben, diese großen Kinder tun's noch heute. Das ist nun das Leben.
    Nachdem die Gesellschaft sich verabschiedete, saß Frau v. Bismarck in ihrem Boudoir, wo prächtige Kleider und schön gebundene Bücher als Geschenke des Tages unter allerlei Nippsachen bric-à-brac umherlagen. Das Zimmer duftete nach Maiblumen, weil die Dame diese Blume besonders liebte, die so früh im Jahre nur durch künstliche Treibhauszucht mit schwerem Geld erworben werden konnte. Für Bismarcks war nichts zu teuer. Der alte Rittmeister und Gutsherr besaß nur die natürliche Gleichgültigkeit eines Grandseigneurs für den Mammon, ohne daß er im geringsten den äußern Schein liebte. Offene Hand und offene Tafel, leutselige Wohltätigkeit und Gastlichkeit, und wenn seine bäuerlichen Untertanen und Pächter nicht pünktlich ihren Tribut entrichteten, stundete er eben, solange sie wollten. Freunden pumpte er bis zum Jüngsten Gericht, und Standesdünkel haßte er mit der ganzen Schlichtheit eines echten Blutadels uralter Herkunft. Die Bürgerliche hingegen, die geborene Mencken, protzte gern mit Prachtaufwand, spielte die große Dame der Gesellschaft und führte ein strenges Regiment.
    »Wilhelmine ist klug, sehr klug,« urteilten ihre Freundinnen bei jedem Kaffeeklatsch, »aber Gemüt hat sie nich für einen Silbergroschen. Und helle ist sie, die richtige Berlinerin, aber mittemang janz verschroben, glaubt an Geisterseher und solchen Schmuß.« –
    Als sie jetzt ihre Familie um sich versammelte, trat der harte kalte Zug in ihrem Gesicht auffallend hervor. »Ich will nur hoffen,« begann ihre Gardinenpredigt dem versammelten Kriegsvolk die Leviten zu lesen, »daß unser Haus nicht noch einen Knacks bekommt durch deine allzu philanthropische Gutmütigkeit, lieber Mann, und deine Extravaganzen, Otto.« Der ältere Bruder Bernhard, ein guter Junge, bedeutete nichts, und von der Tochter Malwine, bei der sich der klare lebhafte Mutterwitz durch väterliches Gemütserbteil erwärmte, war ja am Ende nichts zu erwarten, als daß sie einen standesgemäßen Freier erkiesen werde, so begütert wie möglich, aber sicher kein großes Kirchenlicht, mit dem man Staat machen konnte. Dazu standen die Bismarcks nicht hoch genug, um auf eine besonders glänzende Partie für die Tochter des Hauses hoffen zu dürfen. Eine Ballschönheit erblühte in Malwine auch gerade nicht, die etwa einem höheren Standesherrn den Kopf verdrehen könnte. Da blieb nur Otto, auf den diese ehrgeizige Mutter Hoffnungen setzte, die für sie bei Lebzeiten sehr unbefriedigt blieben.
    »Ach, Karlineken, na warum denn nich!« summte der leichtherzige Papa. »Otto schlägt nicht aus der Art, wir Bismarcks waren immer forsche Kerle, die sich wenig drum scherten, was die Basen und Muhmen über sie zeterten. Mir ist einer lieber, der auf Nebenwegen über Stock und Stein trottet, als die stieseligen Bengels von heute, wo jeder in gleichem Schritt und Tritt ängstlich auf der Landstraße marschiert. Alle Wege führen nach Rom, und was ein richtiger Gaul von gutem Gestüt ist, findet schon immer heim zum Stall. Um Otto ist mir nich bange.«
    Dabei sah er seinen stattlichen Jüngsten mit liebevoller Zärtlichkeit an. Seine ohnehin gutherzige Natur entfaltete ein Übermaßvon Selbstlosigkeit diesem Sprossen gegenüber. Dessen Göttinger Schulden zu bezahlen machte ihm eine Herzensfreude, und er wurde nicht müde, von den achtundzwanzig Duellen erzählen zu hören. Seltsamerweise stieß aber diese »Affenliebe« den Sohn ab, erschien ihm unmännlich. Seine spröde Art, die sich nur selten anschloß und über äußere Kameraderie nicht herauskam, vergalt dem Vater nicht durch Erwiderung einer hingebenden Ergebenheit. Verdrossen und mürrisch, wie sein ernüchterter Seelenzustand sich ausbildete, kehrte er auch dem guten Alten gegenüber nur Stacheln hervor, launische Gleichgültigkeit, ironische Verbissenheit. Gleichwohl hatte er im Grunde seines Herzens ein anhängliches treues Gefühl für seinen Erzeuger,

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