Bismarck 01
ausgezeichnet komponiertes Kostümfest, wie man es von seinem auserlesenen Geschmack erwarten durfte, und freilich auch ein liebenswürdiges Kompliment an Frankreichs Adresse, über das an meine Regierung zu berichten ich die Ehre haben werde. Auf Ihre Gesundheit, verehrter Herr Kollege!« Das friß du! Prokesch preßte die Lippen zusammen, indes Fräulein Maxe Becker in einer Kunstpause des Balles eine Mendelsohnsche Melodie herausschmetterte, so daß die Zaungäste in Senferfelds Nachbargärtchen, Gallusgasse 19, ihre Freude daran hatten. Kaum schwieg die Sängerin, als er geräuschvoll in die Hände klatschte: »Bravo! Il bel canto! « und seiner Nachbarin zurief: »Ah, quel succeès! Un goût tout-à-fait distingué!«
Auf der französischen Gesandtschaft in Frankfurt war ein alter Diplomat auf Besuch, der schon vor dem Julikönigtum wirkte und jetzt am Kaiserhof Anstellung fand wie jeder nicht verstockte Legitimist de vieille roche , aber sich die skeptische Medisance und das kühle kritische Urteil bewahrt«, die bei jedem Franzosen nur äußerlich von geschwollenem Phrasenlärm übertönt werden. Der alte Herr betrachtete den ernsten Germanen mit so untadeligen Formen und so anscheinender Gemütlichkeit forschend durch sein Pincenez. Der möchte mal einen guten Zuhörer haben! folgerte Bismarck. Dem Manne kann geholfen werden, ich höre so gerne zu, wenn Leute plaudern und – – ausplaudern. Am Schluß des Diners bei Montessuy lud er verbindlich denalten Herrn ein, der sehr sachkundig über Weine sprach vom Chablis bis zur Liebfrauenmilch, mit ihm zwei Flaschen alten Johannisberger auszustechen, Geschenk von Metternich.
»Ah, wie pikant! Gewächs von Monsieur de Metternic! Das hat historische Weihe. Johannisberger, die Krone der Weine, und Geschenk von Monseigneur le Diable in höchsteigener Person – – wer könnte solcher Lockung widerstehen! Fügen wir als drittes hinzu: Mit Ihnen, Monsieur de Bismarck, diesen Pokal zu leeren gibt dem Ganzen den vollsten Applomb. Führen Sie mich zu diesem ambrosischen Gastmahl der Götter!«
Mit Otto in dessen Hause allein plauschte und zechte der alte Causeur anfänglich nur obenhin, als ein hinter den Kulissen stehender Sachverständiger der Pariser Gesellschaft. Als aber der Wein dem Franzosen zu Kopfe stieg – – niemand außer ihm konnte so viel Johannisberger auf einen Hieb vertragen, das wußte Otto – –, und sein liebenswürdiger Wirt immer treuherziger wurde, knöpfte das Diplomatenherz sich auf. Zuletzt platzte er mit dem Bekenntnis heraus:
»Der Kaiser braucht Kriege. Aber gegen wen das nächste Mal, das weiß er selber noch nicht. Bei ihm herrscht der Impuls, genau das zu tun, was niemand erwartet. Das ist geradezu krankhaft bei ihm, und die Kaiserin reizt ihn noch dazu. Sie wissen, die Frauen! Aus Liebe hat sie ihn nicht geheiratet, untreu ist er schon jetzt, Kinder haben sie nicht. Da muß sie wenigstens Eklat haben, jeder Kaprice fröhnen. Kaiserin der Mode sein genügt ihr nicht, sie ist zu klug, um sich immer im Spiegel zu bewundern und sich mit Anprobieren neuer Hüte zu amüsieren. Auch als echte Spanierin kann man nicht den ganzen Tag in die Messe laufen. So nimmt sie sich Politik als Spielzeug, einen kleinen Krieg oder sonst was Sensationelles. Bei jedem Dejeuner hat sie solche täglichen Einfälle. Man muß diesem Paar ein Kind machen, sonst werden sie nie vernünftig.« Schmunzelnd erzählte er von hoffnungsloser Leidenschaft eines italienischen Kavaliers, Eugenie sei eine kalte Natur, und als sie neulich ihren Herrn Gemahl auf einer Hofjagd in Fontainebleau für seine Sultanpassionen mit der Reitgerte ausklopfte, geschah es nicht aus sinnlicher Eifersucht, sondern aus gekränktem Stolz. Sie, die Schönste der Schönen, eifersüchtig auf eine fettige alte Schachtel! Regelmäßig wachse ihr Einfluß nach solchen Szenen und sie schmeichle: »Ich bete dich an, wenn du was tust, daß alle Welt staunt.« Der alte Herr strich mit der Hand über die Stirn, er sah nicht mehr gut, und das Zimmer fing an, vor ihm zu schwimmen. »Es geht ein absurdes Gerücht, er wolle den Franzosen ihren bisherigen Mißerfolg in der Krim vergüten, indem er plötzlich Konstantinopel besetzt. Das ist Blague, aber zeigt, was man ihm zutraut, denn Treu und Glauben kennt er nicht und würde über Nacht jeden Bundesgenossen erdolchen. O, dieser Mensch wird uns eines Tages verderben, das zweiteEmpire wird damit enden, daß er Frankreich in die Luft sprengt.« Er schwieg
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