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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Über deine Ehemalige fälltest du den Spruch, sie werde bald den Rosenteint verlieren und rot glühen wie eine Klatschrose. Dann wundere dich noch, daß sie dich aufgab.«
    »Beide salvierten sich rechtzeitig.« Otto gähnte wieder mit unsäglicher Gleichgültigkeit. »Eine Drahtpuppe anzubeten, dafür bin ich zu lange aus den Kinderschuhen. Gebt Euch keine Mühe, ich liebe nichts mehr als meinen Hund.« –
    Ein Jahr zuvor hatte er wichtigere Reisen versucht. Da er an Überlegenheit der westlichen Kultur nicht glaubte, wollte er sich mal durch den Augenschein überzeugen. Denn was die Leute reden und die Schriftsteller schmieren, braucht noch lange nicht wahr zu sein. So packte er eines Tages seine sieben Sachen in den Reisekoffer und dampfte über den Rhein, dessen vaterländische Majestät er mit einer Art stiller Andacht betrachtete, zu den schnöden Welschen. Als junger Mann ohne Amt und Würde, seit der Mutter Tod ohne jede Beziehung zu tonangebenden Kreisen, brachte er keine Empfehlungen mit, und die preußische Gesandtschaft kümmerte sich nicht um ihn. Dagegen erlaubte ihm seine Redefertigkeit in elegantem Französisch mit ausgezeichneter Aussprache, in Hotel, Restaurant, Café gelegentlich mit Einheimischen zu parlieren. Diese machten ihm höfliche Komplimente über seinen hohen Bildungsstand, der nach ihrer Meinung natürlich allein in Kenntnis ihrer erhabenen Weltsprache lag, höchlich verwundert, daß ein nordischer Barbar sich zu solcher Höhe aufschwingen könne. Doch sein Bekenntnis, daß er bloß ein Preuße sei, verwandelte ihre Höflichkeit zu gnädiger Herablassung. Es war ihnen ja wohlbekannt, daß Preußen eine einzige Baracke voll bunter Bleisoldaten vorstelle, wo man in Mußestunden nach täglichem Drill die Gänse hütete und sich schlecht und recht von Blutwurst mit Sauerkraut nährte. Ob übrigens Königsberg nicht in Sibirien oder am Nordpol lag, bekanntlich die Hauptstadt von Pommern, wo zumeist Polen wohnen, schien nicht hinreichend geklärt. Geographie schwach. Um so genauer kannten sie ihre eigne Weltgeschichte. Als auf den Kölner Dom die Rede kam, von dessen endlicher Vollendung man damals viel hörte; ein ziemlich gotisches, also barbarisches Bauwerk, das sich natürlich mit Notredame nicht messen konnte, belehrte ihn ein liebenswürdiger Flaneur: »Den Grundstein legte Charlemagne, der erste französische König, der Deutschland uns unterwarf. Er war nicht der letzte. Pardon, Monsieur, doch wie Alfred de Musset so schön singt: Wir haben ihn gehabt, euren deutschen Rhein.«
    »Parfaitement!« verbeugte sich der preußische Reisende verbindlich. »Und Ludwig XlV. hat das Straßburger Münster gebaut.« Dies war den Parisern neu, doch eine hochwillkommene Kunde, die der höfliche Verehrer de Mussets sofort in einem Salon verbreitete. Er habe es aus bester Quelle von einem deutschen Baron, einem riesigen Bären norischer Urwälder, der dem Herzog Rudolf in Sue's »Mysterien von Paris« gleiche wie ein Ei dem andern.
    Infames Gesindel! grollte der nordische Bär in sich hinein. Und das blüfft die weite Welt mit dem Märchen französischerritterlicher Höflichkeit. Kein Deutscher wäre je fähig, mit so plumper, protziger Prahlerei einen Fremden zu beleidigen. Und die naiven Affen merken nicht mal ihren Verstoß gegen die guten Sitten. Ach, politesse du coeur kennt man nur bei uns zu Hause, nicht in diesem Vaterland aller Friseure, Köche, Konditors und Kokotten. Hol' die Pest die ganze Blase, dies aufgeblasene, windige Pack! Das äußere Leben sieht sich hier gut an, Paris ist schön, aber schmutzig, innen und außen unreinliche Sauerei. Reich ist diese Bourgeoisie, die hier allein regiert, doch was kann man von einem Volk erwarten, dem sein bekanntester Staatsmann Guizot die Losung gibt: Bereichert euch! Wohlleben, Luxus, Liederlichkeit ... was bei uns nur einzelne Kreise vergiftet, dringt hier durch den ganzen Körper der Nation. Stark sind sie nur durch ihre vereinte Zahl. Wären die Deutschen geeint, sollte es wohl für immer mit dem Krähen des gallischen Hahnes ein Ende haben. Leider hat das noch gute Wege. Aber wenn man die Zentralisierung sieht, wo die Provinzen nur dazu dienen, der »Lichtstadt« (übrigens sehr schlecht beleuchtet) Blut zuzuführen, so denkt man an Kongestionen nach dem Kopfe und Schlaganfall. Deshalb gedeiht hier wohl jeder Schwindel, weil dem Pariser vor seiner Gottähnlichkeit schwindlig wird. Die deutsche Dezentralisierung hat auch ihr Gutes für die

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