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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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suchte ich Betäubung, heut hab' ich nichts zu vergessen, in mir ist alles tot. Keine Wünsche, Hoffnungen, Befürchtungen! Bin also eine sehr harmonische Natur, die sich akkurat abrollt wie ein Uhrwerk.«
    Man sprach jetzt von gescheiterter Verlobung Ottos.
    »Wir hören aber,« fiel Malwine eifrig ein, »daß du deine ehemalige Flamme wiedersahst. Ihre Mama hat nichts mehr gegen die Verbindung. Wir sind beauftragt, neue Annäherung einzuleiten. Auch die Karlsburgerin ist sehr dahinter her, die dich doch immer treulich bemuttert. Gehst du darauf ein oder ist jede Neigung in dir erstorben?«
    Otto gähnte. »Mein bester Wille vermag nichts wider meine Schwerfälligkeit, die mir verbietet, eine Beleidigung in Lethe zu tunken. In mir ist so viel Bitterkeit gegen dein zartes Geschlecht angesammelt, daß ich's nicht hinreichend unterdrücken kann, um euch eine glückliche Zukunft an meiner Seite zu sichern.«
    »Du wirst schon aus anderer Tonart reden.«
    »Und ich,« schlug Oskar vor, »sorge dafür, daß du durch besondere Vergünstigung als Volontär wieder im Staatsdienst unterkommst.«
    Da gähnte Otto ganz fürchterlich. »Wenn du meinst! Ich bin so schlaff, so teilnahmlos, daß einförmige Tätigkeit mich vielleicht aufkratzt. Ein großes Vielleicht, wie der sterbende Rabelais sagte, und das Leben nach dem Tode ist nicht unsicherer und rätselhafter als das, was wir hier Leben nennen. Meinethalben! Ich verhalte mich dazu leidend.« Tief im Unbewußten wurmte ihn die Erkenntnis, daß dem Genialen nichts Gesundung bringt als eben Spielraum für seine Genialität, daß der Große sich nur mit Großem beschäftigen soll. Das peinvolle Los unterdrückter Größe, wer weiß, wie mancher unerkannt es trägt! Ein Glück, daßGenie unbewußt handelt, nicht altklug seiner selbst bewußt. Und so schützten Otto vor dumpfer Verzweiflung das geringe Ansehen, in dem er bei sich selber stand, die resignierte Gleichgültigkeit gegen den eigenen nur unklar gefühlten Wert. »Mein Freund Scharlach, einst hochfliegender Idealist voll edler Lebenslust, hockt heut stillvergnügt als Familienvater. Mitchell King schrieb neulich aus seiner Farm, er besitze eine Frau, fünf Kinder und 150 Schwarze, hänge die Medizin an den Nagel und baue Tabak. So 'n Kerl! Früher wollt' er englischer Söldner in Spanien werden, Wright machte uns die Finte vor, King sei von Karlisten niedergemetzelt. Ach, solch rühmliches Ende wird uns Philistern nicht beschert. Motley, seit er nach Neuyork heimging, schreibt beliebte Romänchen. Mich wird er konterfeiern als Leibfuchs, der aus der juckenden Philisterhaut fahren will. Faule Romantik! Da seht mich an, als Vater Biedermann in meinen vier Pfählen verbauert! So finden sich alle mit ihren Jugendträumen ab.« Ja, das tun sie, alle Gewöhnlichen, nur der Ungewöhnliche schließt tief im Innern keinen Kompromiß, er geht daran zugrunde oder setzt sich dennoch durch. »Coffin läßt nichts von sich hören. Ach Gott, die alte Wette! Lang, lang ist's her. Sieht man Menschen wieder, die man vor Jahren kannte, muß man sich erst einander wieder vorstellen. Alle sieben Jahre bauen die Körperzellen sich um, ewiges Vergehen und Entstehen! Miserables Geschäft, das die Kosten nicht deckt! So nennt's ein Pessimystiker, Schopenhauer, den ich mir neulich in stiller Klause zu Gemüte führte. Es hat was. Doch der Mann heult wie ein Schloßhund über seine Verkennung durch die nämliche Menschheit, die er begeifert. So inkonsequent und albern eitel sind alle, ach wir Armen!«
    »Was du nicht durcheinander verschlingst!« staunte Malwine.
    »Wenn man verhungert! In der Not frißt der Teufel Fliegen und unverdauliche Philosophie. Du überhaupt«, brach er heiter ab, »trägst Schuld an meinem Sündenfall. Mädel, die unverheiratete Brüder haben, dürften sich nicht mir nichts dir nichts einen fremden Mann nehmen. Seid ihr bloß in der Welt, um euer fabelhaften Eva-Bestimmung zu folgen? Oskar ist ein Bandit, raubte dich mir. Unnatur und Selbstsucht! Davon ist das männliche Geschlecht frei.«
    »Besonders du!« scherzte Malwine, indes Oskar und seine Schwester Adele aus vollem Halse lachten. »Als du deiner scheußlichen Britin nachliefst, bekam man alle Jubeljahre von dir einen Wisch. Bin ich da, willst du mich in Seide und nachher in Watte wickeln, deine Leute prahlen, du wärst mit mir wie mit einer Braut, aber bin ich nicht da, denkst du keine Minute an mich, Herr Philosoph am Ofen. Alles nimmst du kalt und kritisch.

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