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Bismarck 04

Bismarck 04

Titel: Bismarck 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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in Anspruch nehme, als ob das historische Cannä irgendwie für moderne Verhältnisse paßte.
    Die 2. Narew-Armee – so hieß sie jetzt – rückte um 3 Tage zu spät los und verfuhr auch dann zu vorsichtig. Samsonow schob sein ganzes 1. K. südlich heraus, um sich gegen Thorn zu decken, wo ihm wahrscheinlich Anrücken des Mühlmanns gemeldet war, sein 6. K. nördlich gegen Bahnlinie Allenstein. Mit der Hauptmasse von drei Korps stürmte er sorglos durch die Seenplatte bei Neidenburg. So standen die Dinge am 25. abends, als die blitzschnellen Anordnungen Ludendorffs zu wirken begannen. 20. K. fiel auf Gardienen-Mühlen zurück, 1. R. K. faßte nördlich Allenstein Fuß, Front nach Süden, zur Linken bei Bischofstein gedeckt durch heranziehende Kolonnen 17. K. Nordwestlich gliederte sich später Div. Goltz an, nach Südost schloß 3. R. D. sich dem 20. K. an. Es war also dafür gesorgt, den Ausgang des Defilees zu stopfen, die Lage erinnert nicht an Cannä, sondern Hannibals Meisterschlacht am Trasimenischen See.
    Nach der neuen Weisheit (Schlichting) hatte die innere Linie jetzt schon jeden Vorteil verloren, weil die getrennten Russenheere auf wenige Tagemärsche einander nähergerückt waren. Das Beispiel Bonaparte bei Mantua sei veraltet und überholt wegen der Größe moderner Heere, die man nicht so leicht loslösen kann. Für gewöhnliche Feldherrn wie Benedek und Mac Mahon mag dies gelten, weil die innere Linie einen Meister fordert, aber dann auch einen Vollerfolg verbürgt. Hier wurde nun klar bewiesen, daß auch heut alles so gut möglich ist wie früher, wir stehen aber nicht an, diese Operation Hindenburg-Ludendorffs für die kühnste und deshalb genialste Anwendung der Inneren Linie zu erklären. Nicht grundlos nannte sich Napoleon »den kühnsten Mann im Krieg, der je gelebt«. Diese Kühnheit beruht aber auf sicherem Gefühle geistiger Überlegenheit unter genauer Berechnung der Möglichkeit, nichts hat sie gemein mit der hohlköpfigen Keckheit von Stümpern, die in die Falle gehen wie hier Samsonow, der mit barbarischem Übermut durch bloße Masse zu erdrücken hoffte, was sich ihm in den Weg stellte. Man bezüchtigte sogar nachher Rennenkampf des bewußten Verrats, als ob Deutschrussen allzeit nicht loyalste Russen gewesen wären. Doch die Unbegreiflichkeit löst sich in Wohlgefallen auf. Gewiß hätte er sich mehr anstrengen können, doch das ist nicht russische Art, er glaubte genug zu tun, wenn er den Feind aus Lyck wegdrückte und sich Mühe gab bei Labiau und Tapiau durchzudringen. Zwischen Tilsit und Lyck stand er groß da. Vielleicht fürchtete er Flankierung aus Westen, ging aber doch Anfang September bis Lötzen und Angerau vor. Den vollen Umfang des Tannenberg-Verderbens erfuhr er sicher erst spät. Auch Königsberg zog seine Sehnen mächtig an und seine Aufmerksamkeit nach der Küste ab. Für russische Marschtechnik und Verpflegungsledderei war das schwierige Gelände schwer zu bewältigen und die Entfernung zwischen ihm und Samsonow nicht schnell zu verkleinern. Auf solche Schwerfälligkeit rechnete Ludendorff, doch zu solcher Entschlußfestigkeit, nicht achtend das Mißverhältnis der Kräfte, mußte eben dem Volk der Deutschen ein Könner beschert werden, der gleichsam über Nacht in die Reihe der allerersten Feldherrngenien trat.
    Es war ein großer Augenblick, als Ludendorff den Extrazug bestieg mit dem alten Herrn, der sonst in Bürgertracht in Hannover spazieren ging und dabei von taktischer Ausnutzung seiner ostpreußischen Heimat träumte. Das Dampfroß führte ihn ihr zu, trotzdem der kaiserliche Mund cäsarisch sprach: Für Hindenburg keine Verwendung! Dem Kronprinzen verdankt man diese Ernennung, auf die er fest bestand, nicht das geringste seiner vielen Verdienste, es soll ihm nicht vergessen werden. Wenn Ludendorff heut als treibende Seele aller Operationen erkannt wird, die Hindenburgs Namen trugen, und zwar in weiterem Sinn als einst Gneisenau, der ohne Blüchers dämonische Persönlichkeit nichts vermocht hätte, so gehört ein Bedeutender dazu, für geniale Ratschläge die Verantwortlichkeit zu übernehmen. So lange Deutschland solche Helden erzeugt, deren Mut desto heller strahlt, je düsterer die Gefahr, und die auf einen Schlag die Heimat retten, so lange »lieb Vaterland, magst ruhig sein« selbst in deiner tiefsten Erniedrigung.

II. Tannenberg
    Wie oben berührt, ist unrichtig, daß die nördlich der Pregel hausende Moskowiterei sich überhaupt nicht

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