Bissig! (German Edition)
ihrem Laptop herum. „So. Der Anrufer hat die Nummer unterdrückt, das macht aber nichts. Ich konnte den Anruf bis zum Ursprung zurückverfolgen, und verfickt: Das kam aus dem Telefonnetz, das die Freimaurerloge in Washington benutzt – aus deren Headquarters. Es hängt zum Teil mit im MILNET. Die Loge in Washington hat wohl Beziehungen zum Weißen Haus. Mr. Grey, falls Sie es nicht wissen sollten: Das MILNET ist ein altes, für die Öffentlichkeit nicht zugängliches Netzwerk des US-Militärs und der Regierungsbehörden.“
Anerkennend nickte Usher Feli zu. Das war eine präzise Analyse. Also schienen die Vertreter der „Königlichen Kunst“, wie die Freimaurer auch genannt wurden, hinter dem Fall zu stecken. Wobei Usher immer Zweifel an zu offensichtlichen Dingen hegte.
Raven sog scharf die Luft ein. „Wo zum Teufel ist meine Tochter?“
„Sie kann überall sein, Raven. Vielleicht haben sie das vorher aufgenommen und zugeschaltet. Ich habe den Anruf schon durch die Sprachanalyse gejagt. Dort war ein Knacken zu hören, das mich zu der Annahme bringt. Wir können nicht davon ausgehen, dass sich Ihre Tochter bei den Entführern befindet.“ Feli hätte ihm gern etwas Positiveres gesagt, das konnte Usher von ihrem Gesicht ablesen.
„Wer zum Teufel benutzt das Netz der Freimaurer, um solche Anrufe zu tätigen?“, warf Jerry ein.
Jess seufzte. „Entweder Leute, die es zur Verfügung haben oder Typen, die uns auf eine falsche Fährte locken wollen.“
Gedankenverloren nickte Usher. Es gab nur die eine Lösung und es musste schnell eine her: „Raven, ich werde mich diesen Leuten im Austausch gegen Ihre Tochter anbieten. Ich weiß, wie man auf sich aufpasst, aber der jetzige Zustand ist unerträglich.“
Erleichterung machte sich auf Ravens Zügen breit, aber dann runzelte er die Stirn. Usher hob die Hand, bevor er etwas sagen konnte. „Ich weiß, ich mache es aber auf jeden Fall. Die Leitung überlasse ich für die Zeit meiner Abwesenheit Ihnen. Vielleicht können wir noch vor der Übergabe das weitere Vorgehen abstimmen. Ansonsten gebe ich es in Ihre Hände, mich da wieder herauszuholen.“
Shit, Raven sah aus, als wollte er ihm gleich einen Antrag machen. Auch das war für Usher nicht leicht auszuhalten: Dankbarkeit für etwas, das so sonnenklar war …
„Mr. Grey, ich muss die Führung in diesem Fall leider ablehnen, weil ich zu befangen bin. Ich würde sie an Agent Brandon Hartley weitergeben“, sagte Raven ernst.
Ushers Blick wanderte zu Jess. „Gut, der Agent scheint ein sehr erfahrener Mitarbeiter zu sein. Ich hoffe, dass er mich zurückhaben möchte“, versuchte Usher zu scherzen, um sein Unwohlsein zu überspielen. Zumindest war nicht länger ein unschuldiges Kind in Gefahr.
„Sie führen die Verhandlung weiter, Raven. Der Anrufer wird mit Ihnen sprechen wollen, weil er Ihnen die emotionalen Daumenschrauben am besten ansetzen kann. Reizen wir ihn nicht.“ Ushers Blick wanderte über die drei Männer, die vor ihm saßen und ihn sehr unterschiedlich ansahen. Vor allem Jerry durfte keinen Rückfall erleiden. Verstohlen legte er ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie leicht.
Wie gern hätte er mit jedem von ihnen noch einiges geklärt, bevor er in die Höhle des Löwen ging. Aber sicher würden sich die Ereignisse schon in Kürze überschlagen.
„Sie haben verdammt einen Arsch in der Hose, Mr. Grey“, sagte Feli und packte ihr Equipment zusammen. „Einen süßen.“
Explosiv
„Die Entführer ticken doch nicht richtig!“, empörte sich Jess lautstark. „Heute Nachmittag um vier soll die Übergabe direkt am Washington Monument stattfinden. Mitten in der Menschenmenge, die da wahrscheinlich herumlaufen wird.“
Er beobachtete Raven besorgt, sein Boss saß auf seinem Platz und war den Tränen nahe. So fertig hatte Jess ihn noch nie gesehen. Normalerweise steckte Raven die Ereignisse in seinem Job locker weg, aber die Geiselnehmer hatten offensichtlich genau gewusst, wo sie ansetzen mussten. Vivien, Ravens elfjährige Tochter, war sein single point of failure, seine Achillesferse, und diese Schweine setzten seine Liebe zu ihr skrupellos gegen ihn ein.
Jess schwor sich, die Entführer bei lebendigem Leib zu häuten, wenn er einen von ihnen in die Finger bekäme. Er mochte Raven wirklich gern, und es tat ihm in der Seele weh, wie er litt. „Möchtest du dich ein bisschen ausruhen?“, fragte Jess leise und legte einen Arm auf seine Schulter.
Raven schüttelte nur den Kopf.
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