Bissige Spiele (German Edition)
emotionslos
aber
für immer!
Für die Ewigkeit!
Ein seltsames Gefühl kroch in mir empor. Wollte ich denn nicht mehr ein Mensch werden? Hatte ich es mir eben und hier und jetzt plötzlich anders überlegt?
Würde ich mit Sara vielleicht ein ähnliches Verhältnis „leben“ können, wie das alte Pärchen in der Blutbank?
Vielleicht war ich einfach nur mittlerweile vollkommen übergeschnappt.
Während die beleuchteten Häuser an uns vorbeirauschten, versuchte ich den Gedanken schnell wieder beiseite zu legen, doch ich musste mir eingestehen, so einfach war es nicht. Immer wieder malte ich mir aus, mit Sara auf die Jagd zu gehen, sie für immer als kaltes Wesen an meiner Seite zu haben. Andererseits gab es auch einen Ehrenkodex unter uns Vampiren. Sara liebte! Und Menschen, die liebten, durften wir nicht verwandeln. Demnach würde ich eine Vampirregel brechen, wenn ich es doch tat.
Zudem konnte ich auch nicht wissen, ob sie zu einem solchen Schritt bereit war. Damals war sie es sicherlich, aber heute?
Meine kalten Augen blickten zu dem schlafenden Mädchen, dessen Körper sich durch ihre schwere Atmung auf und ab bewegte. Ihre Wangen zeichneten Spuren von getrockneten Tränen, leicht gerötet und doch blass. Die Blässe würde sich noch verstärken, wo hingegen die sanfte Röte für immer verschwinden würde, ebenso das Heben und Senken ihres zarten Brustkorbes. Ihre Atmung, ihre Tränen, ihre Wärme, ihr Gefühl!
Das Leben selbst!
Alles würde sterben – und die Hülle leben!
Wie die meine!
War es denn wichtig, was übrig blieb?
War es nicht einfach nur wichtig, dass wir zusammen waren? Das Gefühlskarussell drehte sich und ich entschied, es einfach drehen zu lassen, ohne eine andere Entscheidung zu treffen.
Wieder sah ich nach draußen und wieder konnte ich nur Häuser entdecken, in denen sich Menschen in diesem Augenblick aufhielten und lebten! Vielleicht sahen sie sich gerade einen Film an, oder sie lasen, feierten Geburtstag, aßen, tranken, weinten, lachten, hatten Sex, oder sie schliefen einfach nur. Ohne wenn und aber! Und dachten nicht im Traum daran, dass dies
nicht
das Normalste von der Welt war! Was ihnen blühen würde, wenn sie das alles wegwerfen würden und dem Leben entsagten. Mir schauderte es bei dem Gedanken, Menschen in den Häusern zu wissen, die Enttäuschungen erlebten, die ihren Schmerzkörper bis zur letzten Zelle ausbluteten. Hatten sie doch eine Chance über den Akt der Selbstliebe von den Urteilen der Menschen unabhängig zu werden. Die Emotionen voll zu spüren, sich jedoch nicht kontrollieren zu lassen. Sich nicht mehr als verletzbares Fleischklöppschen zu fühlen, sondern den Pfad des Verzeihens zu beschreiten. Immer und immer wieder, bis daraus ein gesunder Weg geworden ist. Man hat IMMER die Möglichkeit, anders zu handeln und die Menschen sind für jede Antwort, die sie dem Leben geben, selbst verantwortlich. Inständig wünschte ich mir in diesem Augenblick ein kollektives Umdenken der Menschen, sich aus dem Opferbewusstsein zu katapultieren und aktiv für ihr Glück zu sorgen. „Durch Liebe…“ Rumi fiel mir ein. Mein alter Gedichteschreiber. Oft wandelte er durch meinen Geist und besonders seitdem ich Sara begegnet war und mein Körper zum Leben erwachte, waren seine Gedichte wie ein Begleiter geworden.
Er
war damals der letzte alte Mann gewesen, der mir etwas bedeutet hatte. Und dieser alte Narr neben mir erinnerte mich an ihn. Irgendwie.
„Wie ist eigentlich Ihr Name?“ Mir war bewusst geworden, ich hatte den alten Beißernarren nicht vorgestellt bekommen.
Mein
Name war ja angeblich mittlerweile bekannt, seiner nicht.
Er lachte. Verständlich.
„Ich dachte schon, du fragst nie mein Junge.“ Wieder lachte er. Mit Recht. Wie blöd von mir.
„Nun?“
„Maurice. Ich heiße Maurice.“
„Bist du Franzose?“
„Nein, ich komme aus Marokko.“
Ich staunte.
Ein Moment der Stille trat ein, als ob es etwas Besonderes war, in Marokko geboren zu sein. Irgendwie zog es mich wohl zu den Orient angehauchten Ländern und augenblicklich wusste ich, warum er mich an meinen Dichter erinnert hatte.
„Wie bist
du
ein Vampir geworden?“
„Willst du das wirklich hören mein Junge?“
„Hätte ich sonst gefragt? Ich mag jung aussehen, bin es aber schon lange nicht mehr. Bin ich nicht sogar älter als ihr?“ Sein Grinsen hatte den Charakter von Anerkennung und ich freute mich darüber. Schließlich kam sie von einem Mitglied der wahrscheinlich doch weisesten
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