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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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beschlagnahmt?«
    »Ich habe immer noch eine Kamera zu meiner Verfügung, ein ziemlich gutes Gerät. Hören Sie, Sie verstehen das jetzt vielleicht noch nicht, aber es gibt eine Symmetrie, die alldem zu Grunde liegt. Eine Symmetrie, die auch Sie eines Tages erkennen werden. Wir müssen einen sicheren Treffpunkt finden, einen Ort, wo wir ungestört miteinander reden können. Am besten gleich morgen. Sobald wir fertig sind, nehmen Sie meinen Film in Verwahrung. Und anschließend stelle ich mich dem fbi.«
    »Warum übergeben Sie den Film denn nicht einfach Ihrem Anwalt?«
    »Weil ich Anwälte verachte. Ich habe vor, mich selbst zu verteidigen.«
    Natürlich.
    »Ich möchte nicht undankbar erscheinen«, sagt Malik, »aber falls Sie nicht kommen – oder falls Sie das fbi mitbringen –, werden Sie das Geheimnis um Ihr eigenes Leben niemals erfahren. So, nun war ich bereits viel zu lange an einem Ort. Haben Sie die Telefonnummer noch im Kopf, die ich Ihnen genannt habe?«
    Ich spucke die Nummer aus wie einen Fluch.
    »Gut. Rufen Sie morgen dort an und hinterlassen Sie eine andere Nummer, unter der ich Sie erreichen kann. Nicht Ihr Handy. Und vertrauen Sie John Kaiser nicht zu sehr. Er schert sich im Grunde genommen einen Dreck um Sie oder mich.«
    Die Leitung ist tot.

36
    I ch fühle mich, als müsste ich mich übergeben.
    Ich weiß bereits, warum mein Vater ermordet wurde …
    Sie wissen es nicht. Sie wissen überhaupt nichts, Catherine …
    Angst ist schlimmer als der Tod. Der Tod ist nichts weiter als das Ende des Lebens, und ich kenne ihn gut. Was ich kenne, dagegen kann ich kämpfen. Was ich benennen kann, kann ich ertragen. Doch was in den Schatten liegt, kann ich weder bekämpfen noch ertragen. Mein ganzes Leben erscheint mir jetzt wie ein Schatten, ein Schauspiel mit dem einzigen Zweck, die Leere meiner wirklichen Vergangenheit auszufüllen. Für jede Kindheitserinnerung, die ich besitze, habe ich tausend andere verloren. Das habe ich schon immer gewusst. Jenseits eines gewissen Punkts in meiner Vergangenheit gibt es einfach nichtsmehr. Wenn andere Heranwachsende sich über dieses oder jenes unvergessliche Ereignis aus ihrer Zeit als Kleinkinder unterhielten, versuchte ich mich zu erinnern und fand nichts außer einer nackten Mauer. Ein Kind ohne Kindheit – so fühlte ich mich. Und ich wusste nie den Grund.
    Heute Nachtmittag noch habe ich geglaubt, ich hätte endlich die Antwort erfahren. So schrecklich sie sein mag, so brachte sie mich doch wenigstens auf festen Boden zurück. Doch jetzt … jetzt hat dieser Boden sich erneut bewegt, eine seismische Veränderung, hervorgerufen durch ein paar einfache Worte aus dem Mund eines Psychiaters. Sie wissen überhaupt nichts, Catherine …
    Ich möchte nicht über die Dinge nachdenken, die Dr. Malik gesagt hat.
    Ich möchte, dass die Fragen endlich aufhören.
    Ich möchte einen Drink.
    Und wenn keinen Drink, dann wenigstens Valium. Aber ich darf keins nehmen. Und der Gedanke an den Grund dafür – das Baby in meinem Bauch – lässt mir plötzlich das Steak und das Ei hochsteigen, und zwar gründlich. Ich falle über der Toilette auf die Knie und würge und zittere, wie ich es nur nach meinen schlimmsten Sauftouren erlebt habe. Ich halte die Schüssel umklammert und spüre, wie mein Körper schwindet, wie ich verblasse. Als würde ich durchsichtig. Ich kenne dieses Gefühl von früheren Gelegenheiten. Ich will aufstehen und in den Spiegel sehen, um mich zu überzeugen, dass ich mich irre, doch ich bringe es nicht fertig. Stattdessen drehe ich das heiße Wasser auf und krieche unter den kochenden Strahl der Dusche, wo ich in der Wanne sitzen bleibe.
    Meine Haut wird knallrot, während das Wasser über meine Hüften steigt und schließlich bis zum Rand der Wanne. Ich drehe das Wasser ab, lehne mich zurück und tauche den Kopf unter. Hier können Maliks Worte mich nicht mehr verwunden. Hier verschwinden sie, als wären sie in ein Vakuum hineingesprochen worden, wie ein Schrei im Weltraum. Doch es sindnicht seine Worte, die zählen, sondern das, was darunterlag. Ein verborgener Schlüssel, der nur darauf wartet, dass ich ihn finde. Genau wie John Kaiser hat auch Malik mich gefragt, ob ich glaube, jemals seine Patientin gewesen zu sein. Das ist keine Frage, die man einer normalen Person stellt. Das ist eine Frage, die man jemandem mit Alzheimer stellt. Oder Amnesie. Oder …
    Irgendetwas stimmt nicht. Ich bade in Schwerelosigkeit. Das Wasser will nicht in der Wanne

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