Bist du mein Kind? (German Edition)
könnte.“
„Ich hatte den Eindruck, dass er sehr still wurde, als Leon ihn darauf ansprach, dass er und seine Schwester ihren Kindern niemals Fotos von sich zeigen können. Er wurde sehr nachdenklich. Vielleicht ist ihm durch Leons Äußerung schon etwas aufgefallen. Aber ich denke, wir bohren da nicht weiter. Ich rufe jetzt Jean-Marie an.“
Wolfgang nickt und beginnt, aufzuräumen.
Mit klopfendem Herzen gehe ich zum Telefon. In all den Jahren habe ich nie seine Nummer aus dem Telefon gelöscht. Als seine Eltern kurz nacheinander gestorben sind, haben wir ein paar Mal telefoniert, aber danach habe ich nicht mehr mit ihm gesprochen.
Ich lasse das Telefon wählen. Es tutet nur einen Augenblick und ich höre seine Stimme. Herzklopfen. Noch immer.
„Hier ist Monique. Wie geht es dir?“
Schweigen am anderen Ende. Ich höre ihn atmen.
„Monique, Chérie. Ich freue mich. Ich habe immerzu an dich gedacht. Und mich nicht getraut, dich anzurufen. Du bist immer bei mir.“
Ich fühle mich unwohl. Obwohl ich beim Klang seiner Stimme, noch dazu spricht er Deutsch mit mir, dahinschmelze. Aber ich will ja mit ihm keine Zärtlichkeiten am Telefon austauschen, sondern ihn um seine Hilfe bitten.
„Jean-Marie, ich denke auch oft an dich. Der Grund für diesen Anruf ist jedoch ein anderer.“ Vorsichtshalber spreche ich Französisch. Ist schon alles chaotisch genug, ich möchte nicht, dass Wolfgang Gesprächsfetzen auffängt und daraus falsche Schlüsse zieht.
„Es geht um Maxi. Er ist hier.“
„Er ist wo? Bei euch? Oh mein Gott, was für ein Glück. Erzähl es mir. Wie habt ihr ihn zurückbekommen?“
„Nein, ganz so einfach ist das nicht. Hast du einen Moment Zeit?“
„Für dich habe ich alle Zeit der Welt, mein Herz. Erzähle“.
Und ich lege los. Die ganze Geschichte. Alles. Und ich heule am Telefon und beruhige mich wieder und erlebe die ganze Skala meiner Gefühle des heutigen Tages noch einmal. Er hört mir nur zu und unterbricht mich nicht.
Mittendrin bekomme ich von Wolfgang ein Zeichen, dass die Kinder zurückkommen. Ich stehe auf und gehe nach oben ins Arbeitszimmer. Nach ein paar Minuten höre ich, dass die Jungs mit Wolfgang Fußball spielen.
Am Ende meines Berichtes putze ich mir gründlich die Nase und frage Jean-Marie:
„Kannst du mir helfen?“
„Aber natürlich. Ich brauche allerdings Namen und Daten. Schick mir eine Mail und ich kümmere mich um alles. Wird ein paar Tage dauern, aber das wird schon. Ich kann es fast nicht glauben, es wäre zu einfach und zu unvorstellbar, aber so, wie du es schilderst klingt es echt. Aber ich höre ja auch nur deine äußerst emotionale Version. Glaubst du, dass ich mit Wolfgang sprechen kann? Oder will er nicht?“
„Ach Jean-Marie, natürlich. Das alles ist so lang her. Wir haben doch alle unseren Platz. Warum sollte er nicht mit dir reden?“
„Es ist schön, wie du das sagst, mit dem Platz. Ich suche meinen immer noch. Ich flattere von einem Platz zum nächsten, aber ich kann nirgendwo bleiben. Und immerzu habe ich den vagen Verdacht, dass ich meinen Platz kenne, dass dieser jedoch für mich nicht zugänglich ist, weil auf diesem Platz schon jemand sitzt. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Irgendwann finde ich schon meine zweite Monique.
Dazu müsste ich aber die Erste aus meinem Herzen reißen und das bringe ich nicht fertig.
Aber entschuldige, du hast ganz andere Sorgen. Hol mir Wolfgang ans Telefon bitte.“
Ich bin vollkommen durcheinander. Wieso glauben eigentlich alle Menschen, dass ich alles ertragen kann? Habe ich nicht schon mit mir selbst und meiner Familie genug zu tun? Muss dieser Herzensbrecher mir jetzt nach all den Jahren auch noch seine Gefühle für mich um die Ohren hauen? Sind die Franzosen so?
Egal.
Ich rufe Wolfgang und reiche ihm den Hörer. Er verschwindet im Arbeitszimmer.
Ich gehe wieder nach unten und setze mich auf die Terrasse, um den Kindern beim Fußballspielen zuzusehen.
Fünf Minuten später sitzt Wolfgang wieder bei mir. Klar, dass er nicht lange telefoniert.
„Und?“ fragt er.
„Was und? Du hast doch zuletzt mit ihm gesprochen. Sag was!“
„Ich habe ihm alles geschildert, habe aber deine romantischen Vorstellungen von Maxis Heimkehr ausgelassen und ihn gebeten, ein paar Nachforschungen anzustellen. Er ist einverstanden und wird sich melden.“
Während er spricht, kann er seine Augen nicht von Laurent lassen. Auch er macht sich so seine Gedanken, das sehe ich ihm an. Nur spricht er nicht mit
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