Bist du mein Kind? (German Edition)
feiner und irgendwie glatter. Kein Wunder, er hatte ja auch nicht solchen Kummer wie Wolfgang.
Er setzt sich neben mich. Wieder so nah, wie am Tag zuvor. Wie selbstverständlich legt er seinen Arm um meine Schultern und zieht mich noch näher zu sich heran. Ich lasse es geschehen. Mit der freien Hand dreht er mein Gesicht in seine Richtung und ich schließe die Augen. Ich spüre, wie er seine Wange an meine lehnt und bleibe einfach so sitzen.
„Ich genieße so sehr, dass ich dich berühren darf, dich im Arm halten darf und so nah bei dir sein kann. Das sind für mich so große Momente des Glücks. Im Vergleich zu früher kann ich das fast nicht glauben, dass du mich nicht weg schiebst“.
„Sei still und halt mich fest“, kann ich nur antworten. Ich will jetzt nicht reden. Ich will ihn nur für mich haben.
Meine Gedanken setzen aus. Ich brauche im Moment nichts zu denken, sondern kann nur japsen vom Laufen und mit ihm zusammen wieder zu Atem kommen. Mehr will ich nicht.
Ich will ihn nicht küssen, nicht streicheln, gar nichts. Nur hier sitzen. Anscheinend will Jean-Marie auch nicht mehr, denn wir bleiben einfach so.
Erst als wir beide wieder richtig Luft bekommen und ruhig atmen können, sagt er zu mir:
„Ich möchte dich jetzt küssen, bis du ohnmächtig wirst.“
„Ich will aber nicht ohnmächtig werden“, antworte ich ihm. Er lacht mich an und sein Gesicht ist ganz nah.
„Aber küssen willst du mich schon oder? Sonst hättest du nicht nur die Ohnmacht erwähnt“.
Bevor ich antworten kann küsst er mich so sanft, wie Wolfgang es noch nie getan hat. Und in den letzten Jahren seit Maxis Entführung kann ich die Küsse an zwei Händen abzählen. Und die waren eher brüderlich denn leidenschaftlich.
Und dieser Kuss hier ist so gefühlvoll, so zart, sanft und voller Liebe, dass mir wirklich fast die Luft wegbleibt. Etwas in mir löst sich und ich kann nicht anders, ich muss diesen Kuss erwidern.
Ich spüre Jean-Marie mit jeder Faser meines Körpers und kann nicht aufhören, ihn zu küssen. Seine Arme umschließen mich und halten mich. So kann ich mich einfach fallen lassen. Und genau das tue ich in diesem Moment. Ich lass mich fallen. In seine Geborgenheit, in seine Liebe und das spüre ich jetzt ganz deutlich, in seine Leidenschaft.
Ich muss aufhören, ich muss diesen Kuss abbrechen, sonst werde ich schwach. Nein, ich muss aufhören!
Es geht nicht. So viele Jahre haben Wolfgang und ich nicht mehr das empfunden, was ich hier gerade erlebe und ich sehne mich danach, hier an Ort und Stelle allem nachzugeben, was sich hier entwickelt.
Da kommt er! Der letzte Funken Verstand meldet sich.
Sanft, ganz sanft mache ich mich los. Es dauert eine Weile, bis er das begreift.
Auch ich muss mich erst sammeln. Ich bleibe in seiner Umarmung, drehe aber mein Gesicht zur Seite, damit ich nicht wieder in Versuchung gerate.
Ein Seufzer kommt über seine Lippen.
„Verzeih‘ mir, Chérie, verzeih mir. Ich wollte dich nicht in Versuchung führen.“
„Ich weiß, ich weiß das doch. Es ist nicht deine Schuld. Dieser Kuss war so voller Liebe und voller Gefühl, dass ich auch nicht widerstehen konnte. Aber nun muss es genug sein. Sonst tun wir noch was, was wir bereuen“.
„Ich würde das nie bereuen, nie“, sagt er leise.
„Das habe ich auch so nicht gemeint, das weißt du doch. Ich bin aber Wolfgangs Frau und deshalb kann ich nicht allem nachgeben, was ich für dich empfinde. Bitte, versteh‘ mich doch!“
„Ich verstehe dich ja. Wann hat dein Mann dich das letzte Mal so geküsst?“
„Diese Frage ist nicht fair“, ereifere ich mich.
„Du weißt genau, was wir durchgemacht haben. Wir haben doch gar kein normales Eheleben mehr führen können“.
„Du hast mir gesagt, dass eure Ehe beinahe zerbrochen wäre. Wieso?“
„Weil Wolfgang einen Auftrag in Wiesbaden angenommen hatte und dann dahin gezogen ist. Er hat dort wohl Affairen gehabt mit anderen Frauen. Wie ernst das war, weiß ich nicht. Jedenfalls haben wir dann irgendwann beschlossen, den Kindern zuliebe, in die Richtung zu ziehen und Köln zu verlassen. Damit die beiden nicht noch größere seelische Schäden erleiden, als sie ohnehin schon hatten. Ich war ja gar nicht in der Lage, sie normal aufwachsen zu lassen. Deshalb sind wir in Hessen gelandet. Um auf deine Frage zurück zu kommen, so hat er mich schon seit Jahren nicht mehr geküsst.
Aber wir haben auch keine Leidenschaft mehr füreinander, nach all den Jahren. Nach all dem
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