Bitter Lemon - Thriller

abgeschlachtet, die Überlebenden dem Verhungern preisgegeben. Das hat die nachfolgenden Generationen auf dieser Insel geprägt. Und deshalb werfen die Menschen hier jeden, der sich in feindseliger Absicht nähert, zurück ins Meer.«
    »Herr Manthey, wir sind nur gekommen, um Sie zu …«
    »David?«
    Das war einer der Männer vom Hügel. Eine tiefe, dunkle, vom Salz, vom Brandy, von Filterlosen gegerbte Stimme.
    »Qué hay, Javier?«
    »Sind das diese Drogengangster?«
    »No sé, Javier. Ich weiß es noch nicht. Sie haben immer noch nicht gesagt, wer sie sind.«
    »Sollen wir mal runterkommen und sie fragen?«
    »Herr Manthey, bitte machen Sie jetzt keinen Fehler, den Sie später sicher bereuen würden …«
    »Wer sind Sie?«
    »Bundeskriminalamt.«
    »Warum sollte ich das glauben?«
    »Unsere Dienstausweise befinden sich im Kofferraum des Wagens. In den Sporttaschen …«
    »Javier?«
    »Qué hay, David?«
    »Seht doch mal im Kofferraum nach, im Gepäck. Die Herrschaften haben dort ihre Ausweise vergessen.«
    »Herr Manthey, wir möchten Sie nun bitten …«
    »Wenn Sie mir etwas vorzuwerfen hätten, dann wären Sie doch mit der Guardia Civil aus Ibiza angerückt.«
    »Ihnen wird aber nichts vorgeworfen, Herr Manthey. Unsere Vorgesetzten wollen lediglich ein Zeugengespräch mit Ihnen führen. Das ist alles.«
    »Was soll ich bezeugen können? Ich lebe jetzt schon seit zwei Jahren nicht mehr in Deutschland.«
    »Was Sie bezeugen sollen, Herr Manthey, liegt wesentlich länger zurück. Es geht um einen Menschen, den Sie vor mehr als zwanzig Jahren kannten. Gut kannten.«
    »Und wer soll das sein?«
    Wind kam auf, kräuselte das Meer in der Bucht und trieb das salzige Wasser in winzigen Wellen auf den Strand zu. Oben auf dem Hügel streckte Javier triumphierend die Hand in den Abendhimmel. Offensichtlich hatte er die Ausweise gefunden. Und David Manthey wusste schlagartig, von wem die beiden BKA-Beamten sprachen. Die Erinnerung an den Mann, den er vor mehr als 20 Jahren zum letzten Mal gesehen hatte, trieb ihm trotz der kühlen Brise die Schweißperlen auf die Stirn.
    »Herr Manthey, es geht um Zoran Jerkov.«
    Sie starrten ihn an, als käme er vom Mars. Eben noch hatten sie verbissen drei gegen drei auf einen Korb gespielt und sich dabei unentwegt angebrüllt:
    »Ey, du Penner!«
    »Selber Penner!«
    »Warum schneidest du nicht in die Zone, wenn der Polacke den Block stellt und der Passweg frei ist, du Penner?«
    »Halt’s Maul und spiel endlich weiter.«
    »Was glaubst du wohl, warum du auf der Weak Side rumstehen sollst, du Penner? Der Passweg war so offen und so breit wie dein fetter Türken-Arsch.«
    »Halt’s Maul, Kroaten-Zwerg!«
    »Ich geb’ dir gleich was auf dein dreckiges Maul!«
    Kaum hatte er im Schlepptau seines Onkels die Halle betreten, hielten die Spieler in der Bewegung inne und verstummten. Sie nickten sich schweigend und vielsagend zu und stemmten abwartend die Fäuste in die Hüften.
    Felix Manthey legte seine große, schwielige Hand auf Davids Schulter und schob ihn vor sich her. Als sie die Mittellinie überquerten, löste sich der Kleinste aus der Gruppe, der wortgewaltige Kroaten-Zwerg, und schlenderte ihnen entgegen. Bei jedem Schritt dribbelte er den Ball mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen seinen Beinen hindurch, ohne auch nur ein einziges Mal hinzusehen, linke Hand, rechte Hand, Tack, Tack, Tack, Tack , die Augen starr auf David gerichtet, Misstrauen als Langeweile getarnt, während der Kaugummi durch seinen halb geöffneten Mund wanderte, von links nach rechts und von rechts nach links, so wie der Ball durch seine Beine, Tack, Tack, Tack, Tack , die Kieferknochen zermalmten den Kaugummi, so wie ich dich zermalmen werde, wart’s nur ab, auch wenn du mindestens einen Kopf größer bist als ich, auch wenn du der Neffe von Coach Manthey bist, auch wenn du neuerdings beim Coach wohnst, das hat längst die Runde gemacht im Viertel, auch wenn ich mich jetzt natürlich doof stelle, als wüsste ich von nichts.
    Tack Tack Tack Tack
    »Coach? Ey, Coach!«
    Tack Tack Tack Tack
    »Hallo, Zoran. Was gibt’s?«
    »Coach … Wer ist denn der da?«
    Tack Tack Tack Tack
    »Das ist David. Mein Neffe, David Manthey. Er gehört von heute an zum Team. Er ist unser neuer Power Forward.«
    »Wir brauchen keinen!«
    Tack Tack Tack Tack
    »Was brauchen wir nicht, Zoran?«
    »Keinen Power Forward. Wir brauchen keinen.«
    Tack Tack Tack Tack
    »Zoran, auf welcher Position spielst du?«
    »Was soll die