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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Frank Koch würde später einen Tobsuchtsanfall kriegen, so viel war sicher. Einen kalkulierten Anfall von Tobsucht vor versammelter Mannschaft. Auch das würde sie vermutlich geduldig über sich ergehen lassen, so wie sie in diesem Augenblick Branko Jerkovs Wutanfall vor laufender Kamera ertrug, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
    Zorans Bruder wiederholte immer wieder, dass er nicht wisse, wo Zoran stecke, und dass es ihn auch nicht interessiere, und dass die Medien ihn doch endlich in Ruhe lassen sollten. Der verkaufbare Nachrichtenwert seiner Worte tendierte gegen null, aber dass Branko Jerkov mit vor Wut verzerrtem Gesicht redete und kurz davor war, den Kameramann niederzuschlagen, würde Frank Koch gefallen. Die Worte bedeuteten nichts. Aber die Wut in Brankos Gesicht ließ den Restaurantbesitzer außerordentlich unsympathisch wirken, und das passte ins Bild. Denn Frank Kochs verordnete Botschaft lautete: Seht her, die Jerkov-Sippe, dieser hässliche Fremdkörper in unserem friedlichen Gemeinwesen.
    Kristina Gleisberg schaltete den Fernseher aus.
    Die Fernbedienung rutschte vom Sofa und fiel zu Boden. Das billige Plastikgehäuse zersprang in zwei Teile.
    Sie schloss die Augen und massierte sich die Schläfen.
    Ein kluger Gedanke.
    Ein einziger kluger Gedanke.
    Kopfschmerzen.
    Und kein Aspirin mehr im Haus.
    Zoran, du verdammter Mistkerl.
    Das Telefon läutete. Sie ließ es läuten. Nach dem vierten Läuten schaltete sich der Anrufbeantworter ein.
    »Florian hier. Kristina, Süße, wie geht’s dir? Armes Mädchen. Habe jetzt erst deine E-Mail lesen können. Frank Koch ist ein Riesenarschloch. Ich hatte dich von Anfang an vor ihm gewarnt. Weißt du noch? Von Anfang an. Pass auf: Einen festen Job habe ich natürlich nicht. Im Print-Sektor ist momentan überhaupt keine Bewegung. Überall gehen die Auflagen in den Keller. Und die Anzeigenerlöse. Also kleben alle an ihren Schreibtischen, weil sie Angst um ihre Sozialpunkte haben. Aber ich biete dir eine Story an. Siebentausend Zeichen, maximal achttausend. Du weißt, wir zahlen gut. Thema: Die Banalisierung des Journalismus durch das Fernsehen. Da bist du doch die Fachfrau. Sorry, war nur ein Scherz. Du müsstest allerdings bis übermorgen liefern. Gib mir bitte spätestens morgen Bescheid. Ciao, Süße.«
    Darauf kannst du lange warten.
    Mit Florian war sie vor ungefähr hundert Jahren auf der Münchner Journalistenschule gewesen. Mit Florian war sie vor hundert Jahren eine Nacht im Bett gewesen. Nicht gerade der größte Fehler ihres Lebens, aber unter den ewigen Top Ten der größten Fehler ziemlich weit vorne. Gehe niemals mit einem Narzissten ins Bett, der lediglich die Bestätigung sucht, wie großartig er doch ist. Im Bett, im Job, beim Sport, am Steuer, immer und überall.
    Allerdings schränkte dieser Leitsatz die Auswahl an potenziellen Liebhabern erheblich ein.
    Ein kluger Gedanke. Ein einziger.
    Nichts. Sie riss sich T-Shirt und Boxershorts vom Leib, ließ alles achtlos zu Boden fallen und öffnete die Tür zum Bad.
    Dieser Trompeter.
    Günther Oschatz.
    Was für ein zauberhafter alter Mann. Gesegnet mit der geistigen Energie eines 18-Jährigen. Und wie er die ganze Zeit vom Neffen seines verstorbenen Lebensgefährten schwärmte. Wie ein guter Vater von seinem Sohn. Wenn dieser David Manthey nur halb so nett war, wie Günther Oschatz versicherte, dann musste sie ihn unbedingt kennenlernen.
    Vielleicht half eine kalte Dusche gegen die Kopfschmerzen.
    Und gegen alles andere.
    Über dem samtenen Teppich, den die Snare-Drum, der Kontrabass und das Piano schufen, schwebte Günthers Trompete, schmeichelnd, verführerisch, hypnotisch, unwirklich weich wie schmelzendes Metall. Die Menschen im Keller des Stadtgartens hingen stumm und staunend an Günthers vibrierenden Lippen und hofften inständig, dieses Solo möge niemals enden, nicht in diesem Leben, nicht in dieser Welt.
    David Manthey wartete in dem schwach beleuchteten Gang, der von der Küche ins Freie führte. Er lehnte mit dem Rücken an der Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Er schloss die Augen, als der Applaus einsetzte und aus dem Keller ins Erdgeschoss wogte. Das Publikum forderte eine zweite Zugabe.
    »Hier bin ich.«
    Manthey öffnete die Augen. Vor ihm stand Günther Oschatz, die Wangen gerötet, Sorgenfalten auf der Stirn.
    »Dein Applaus, Günther. Du warst gut.«
    »Es war okay. Sie spielen jetzt noch ein Stück, aber ohne mich. Ich dachte mir, das fällt vielleicht weniger

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