Bitter Süsse Tode
jetzt, Miss Blake.« Dabei öffnete er die Tür.
Ich ging hindurch, die Pistole noch in der Hand. »Sicher, ich gehe jetzt, aber ich werde nicht aufgeben.«
Er musterte mich zornig. »Wissen Sie, was es heißt, von einem Meistervampir gezeichnet zu sein?«
Ich überlegte einen Augenblick und wusste nicht, was ich antworten sollte. Die Wahrheit. »Nein.«
Er lächelte, und es war kalt genug, um mein Herz gefrieren zu lassen. »Sie werden es erfahren, Miss Blake. Wenn es Ihnen zu viel wird, denken Sie an unsere Kirche, man wird Ihnen helfen.« Er schloss die Tür hinter mir. Leise.
Ich starrte die Tür an. »Und wie soll ich das verstehen?«, flüsterte ich. Niemand antwortete mir.
Ich steckte die Pistole weg und machte eine kleine Tür ausfindig, auf der »Ausgang« stand. Dort ging ich entlang. Die Kirche war sanft erleuchtet, mit Kerzen vielleicht. Stimmen schwangen sich singend in die Nachtluft auf. Ich kannte den Text nicht. Die Melodie war Bringing in the Sheaves. Ich schnappte einen Satz auf: »Wir werden ewig leben, sterben nimmermehr...«
Ich hastete zum Wagen und versuchte, nicht auf das Lied zu hören. Es war etwas Beängstigendes an all den Stimmen, die sich da himmelwärts schwangen und -wen? - anbeteten. Sich selbst? Die ewige Jugend? Das Blut? Was? Noch eine Frage, auf die ich keine Antwort wusste.
Edward war mein Mörder. Die Frage war, würde ich ihn an Nikolaos ausliefern können? Könnte ich ein menschliches Wesen den Monstern ausliefern, und sei es auch, um mich zu retten? Noch so eine Frage ohne Antwort. Vor zwei Tagen hätte ich noch Nein gesagt. Jetzt wusste ich es einfach nicht mehr.
36. Kapitel
Ich wollte nicht in mein Apartment zurück. Edward würde am Abend kommen. Müsste ihm dann sagen, wo Nikolaos am Tage schlief oder er würde die Information aus mir herauszwingen. Kompliziert genug. Jetzt hielt ich ihn außerdem für meinen Mörder. Noch komplizierter.
Das Beste, was mir einfiel, war, ihm aus dem Weg zu gehen. Das würde nicht ewig funktionieren, aber vielleicht hätte ich bis dahin einen Geistesblitz und könnte alles aufklären. Na gut, das war unwahrscheinlich, aber hoffen konnte man immer.
Vielleicht hatte Ronnie eine Nachricht für mich hinterlassen. Etwas Hilfreiches. Ich brauchte weiß Gott alle Hilfe, die ich kriegen konnte. Ich fuhr zu einer Tankstelle mit einem Münztelefon davor. Ich hatte einen dieser High-Tech-Anrufbeantworter, was mir gestattete, meine Nachrichten abzuhören, ohne deswegen nach Hause zu müssen. Vielleicht könnte ich Edward den ganzen Abend aus dem Weg gehen, wenn ich in einem Hotel übernachtete. Seufz. Wenn ich in diesem Augenblick irgendeinen handfesten Beweis gehabt hätte, ich wäre schnurstracks zur Polizei damit.
Ich hörte das Band surren und klicken dann: »Anita, hier ist Willie, sie haben Philip. Den Kerl, mit dem Sie aus waren. Sie tun ihm was an, Schlimmes! Sie müssen herkommen-«
Die Leitung brach ab. Wie durchgeschnitten.
Mein Magen verkrampfte sich. Eine zweite Nachricht lief an. »Hier ist Sie wissen wer. Sie haben Willies Nachricht gehört. Kommen Sie und holen Sie ihn, Animator. Ich sollte Ihrem hübschen Geliebten wirklich nicht drohen müssen, nicht wahr?« Nikolaos' Gelächter kam durch die Leitung, kratzig und weit weg.
Es gab ein lautes Klicken, und Edwards Stimme drang durchs Telefon. »Anita, sag mir, wo du bist, ich kann dir helfen.«
»Sie werden Philip umbringen«, erwiderte ich. »Übrigens bist du nicht auf meiner Seite, erinnere dich.«
»Du hast keinen anderen Verbündeten.«
»Gott steh mir bei.« Ich legte einfach auf, mit Wucht. Philip hatte versucht, mich zu verteidigen. Jetzt bezahlte er dafür. Ich schrie. »Verflucht!«
Ein Mann an einer Zapfsäule starrte mich an.
»Was gucken Sie so?« Ich schrie ihn beinahe an. Er senkte den Blick und konzentrierte sich angestrengt aufs Tanken.
Ich verzog mich hinter das Steuer meines Wagens und saß ein paar Minuten lang da. Ich war so wütend, dass ich zitterte. Ich spürte es bis in die Nerven meiner Zähne. Verdammt, verdammt! Ich war zu wütend, um zu fahren. Es würde Philip kaum helfen, wenn ich unterwegs einen Unfall baute.
Ich versuchte, in tiefen Zügen zu atmen. Es nützte nichts. Ich drehte den Zündschlüssel. »Nicht rasen, kann's mir nicht leisten, dass die Bullen mich anhalten. Immer sachte, Anita, immer sachte.« Ich rede mir öfter mal gut zu. Gebe mir selbst gute Ratschläge. Manchmal befolge ich sie sogar.
Ich legte den Gang ein und
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