Bittere Delikatessen
hochgehen sehen. – Dann war da so ein junger Mann mit Pferdeschwanz. Der ging zu Fabian!«
»Jung?«
»Vielleicht vierzig Jahre.«
Ben nickte. Schmitz ging auf die siebzig zu.
»Ist das der Mann?« Ben zeigte ihm das Phantombild.
»Genau. Das ist er.«
»Haben Sie ihn schon öfter bei Fabian gesehen?«
Die Stirn kräuselte sich wieder. »Kann sein. Ab und zu. Selten.«
»Und ist Ihnen etwas aufgefallen? Streit? Geräusche wie von einem Kampf?«
»Nein. Kurz darauf ist er wieder gegangen.« Schmitz schien tatsächlich den Tag am Spion seiner Wohnungstür zu verbringen.
»Was für ein Mensch war Fabian eigentlich?«
»Geschäftsmann. Höflich, korrekt, aber auch eingebildet. Hat nicht mit jedem geredet. Wie oft hab ich ihn auf einen Umtrunk hereingebeten, aber er wollte nicht. Wochentags war er fast nie zu Hause. Tja, da ist man Nachbar und weiß nichts voneinander. Das sind die modernen Zeiten, sag ich immer. Nicht doch ein Bier? Ist gut für die Nieren!«
Ben winkte ab und wandte sich zum Gehen. Schmitz schlurfte hinterher. Ben spürte den Bieratem in seinem Rücken.
»Und dann«, sagte Schmitz, als Ben schon die Klinke in der Hand hielt, »war da noch eine Person mit langen, blonden Haaren und Regenmantel. Am Sonntagabend. Komisch, wo es doch gar nicht geregnet hat.«
Lange blonde Haare. »Wie lang?«, fragte Ben.
Schmitz zeigte etwa die Haarlänge, wie sie Tausende von Frauen in der Stadt trugen. Noras Haarlänge. »Hab ich leider nur von hinten gesehen«, fuhr er fort. »Heutzutage weiß man gar nicht mehr, ob Männlein oder Weiblein! Jetzt, wo die Hippiemode wieder in ist!«
»Welche Person war am Sonntagabend zuletzt bei Fabian? Die Blonde oder der mit dem Pferdeschwanz?«
Schmitz raufte sich das dünne Haar und nickte in Zeitlupe. Je angestrengter er versuchte, den Abend zu rekonstruieren, desto mehr brachte er durcheinander. Schließlich war die Frau im Regenmantel grauhaarig, der Mann auf der Fotokopie blond und der Freund der Studentin der wahrscheinliche Mörder. Offensichtlich verbrachte Schmitz die Stunden am Türspion nicht allein. Sein Nierenmittel war immer bei ihm.
24.
»Natürlich haben wir ihn reingehen sehen, aber wir haben ihn nicht mit dem Spaghetti in Verbindung gebracht«, sagte Bernhard. »Leider hatte Schwester Beate schon ihr Kleidchen angezogen, als er sie auf die Straße brachte.«
Einige lachten. Doch Tom sah seine Felle davonschwimmen. Dieser Engel hatte die Soko um Wochen zurückgeworfen. Durften die Leute vom K1 denn machen, was sie wollten?
Fröhlich betrat den Besprechungsraum. Er machte ein Gesicht, als hätte er einen Frosch verschluckt, der nun in seinem Bauch hüpfte und quakte. Der Dicke nahm seine Brille ab und begann, sie zu putzen. Ohne Brille sah sein Gesicht fremd aus. »Das Depot ist so gut wie leer. Das heißt, dass eine Lieferung bevorsteht.«
Genau das hast du gestern schon gesagt, dachte Tom.
»Wer kommt jetzt für den Deal infrage?«, fragte Fröhlich.
Es fielen ein paar Namen. Vermutungen, Spekulationen.
»Bislang hat Enzo noch nicht gesungen«, sagte der K2-Chef. »Wir haben ihn seit der Nacht in der Mangel, doch er ist zäher, als ich dachte. Vorläufig gibt es nur eins: Wir überwachen alles. Das Depot und jeden der möglichen Händler. Es gibt nur ein Problem: Auf die Schnelle kriege ich kein MEK.«
Ein Raunen ging durch den Raum. »Auch das noch«, hörte Tom Bönte sagen. Die Kollegen des Mobilen Einsatzkommandos waren eigentlich für Aktionen dieser Größenordnung zuständig.
Fröhlich hob die Hände. »Vielleicht ab morgen früh. Aber bis dahin müssen wir selbst ran. Ihr wisst, was das bedeutet. Anders geht das leider nicht.«
»Überstunden?«, fragte Tom leise. Bönte nickte.
»Denkt dran, Leute: umso größer wird der Erfolg. Stellt euch vor, wir schnappen sie bei der Übergabe mit zehn, zwanzig Kilo Stoff. Und das, ohne dass wir wie die bayerischen Kollegen einen Scheinkauf fingieren müssen. Ihr habt es gelesen: Den Idioten ging dabei eine Million Mark verloren!«
Auch diese Ansprache hatte der Dicke so ähnlich schon gestern gehalten. Vor der großen Panne. Fröhlich nickte zum Zeichen, dass die Morgenbesprechung zu Ende war.
»Was geschieht mit KOK Engel?«, wollte Tom wissen.
Erst an der Tür blieb Fröhlich stehen. »Ich, äh«, er räusperte sich, »ich habe mit, äh, Brauning gesprochen. Ich bin sicher, Hauptkommissar Brauning wird die richtigen Konsequenzen aus dieser voreiligen Aktion ziehen.« Dann
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