Bittere Delikatessen
Hirn. Das warme Wasser brachte nur wenig Linderung.
Gabi hatte ihm schon Kaffee eingeschenkt. Der Kleine spielte mit Bauklötzen. Unschuld, die keine durchzechten Nächte kannte, geschweige denn ... –
»Soll ich dir rasch ein Brot machen?«
»Danke, ich frühstücke im Präsidium. Keine Zeit.«
»Weißt du, wann du heute Nacht nach Hause gekommen bist?« Schärfe in ihrer Stimme.
»So um zwei«, riet Tom.
»Halb vier.«
Dann hatte er höchstens drei Stunden gepennt. »Ich habe vor dem Einschlafen noch mindestens eine Stunde wach gelegen. Es war so heiß, und der Mond schien so hell ins Zimmer.«
»Was hast du so lange gemacht?«
»Schäfchen gezählt.« Nein, er hatte über den Spielfilm nachgedacht, in dem die Geliebte eines Mannes dessen Familie terrorisierte. Er hatte ihn erst neulich zusammen mit Gabi auf Pro-Sat gesehen.
»Quatsch! Ich meine vorher! Wo warst du so lange?«
Er hatte Jeannette noch nach Hause gebracht. Dann hatte sie eine Flasche Sekt geöffnet und er ihr schwarzes Bustier. Tom überlegte, was er sagen sollte. Das Pochen im Schädel störte ihn dabei. »Äh, kann ich mich darauf verlassen, dass du nichts weitererzählst von dem, was ich dir jetzt sage?«
Gabi hielt die Arme verschränkt und legte den Kopf schief.
Ihm fiel der Name des Spielfilms ein. Eine verhängnisvolle Affäre. Tom verscheuchte den Gedanken und fuhr fort: »Wir bereiten gerade ein ganz großes Ding vor. Einen Schlag gegen die Kokainmafia. Der Chef hat mich an entscheidender Stelle eingesetzt. Observierungen, verdeckte Ermittlungen rund um die Uhr, verstehst du?« Es lohnte sich nicht, wegen eines einmaligen Abenteuers eine eingespielte Ehe zu riskieren. In diesem Punkt musste er Engel recht geben. Was sie nicht wusste, würde sie nicht heißmachen.
»Dein Hemd stinkt, als wärst du in einer Kneipe gewesen. Und warum hast du noch geduscht, als du nach Hause kamst? Das machst du doch sonst nie.«
Er hatte nicht nach Jeannette riechen wollen, als er zu Gabi ins Bett kroch. »Du erzählst nichts weiter, ja? Wir waren auf dem Sommerfest einer Filmgesellschaft. Es war heiß, und die Luft war fürchterlich.« Tom warf eine Kopfschmerztablette in ein Glas Wasser. »Die ganze Filmbranche ist ein einziger Drogensumpf. Schwester Beate – du hast es sicher in der Zeitung gelesen. Und das war nur der Anfang. Wir haben die Drahtzieher aufs Korn genommen. Übrigens, das Hemd – kann es sein, dass es irgendwie billig aussieht?« Er trank das sprudelnde Zeug. Bitter. Hoffentlich würde es helfen.
»Das habe ich dir beim letzten Sommerschlussverkauf geholt. Gestern früh hat es dir noch gefallen!«
Dann erst sah er diesen Blick.
Sie wusste etwas. Woher?
Ihr Blick ließ ihn nicht los. Er brachte nicht einmal den Kaffee hinunter. »Äh, ich muss jetzt los. Ich rufe dich vom Büro aus an.«
Gabi nahm Tobias auf den Arm. Ein doppelter stummer Vorwurf.
46.
Tom nahm die P6 aus seiner Schublade und befestigte sie am Gürtel. Zerstreut hielt er einen Moment inne. Die Kopfschmerzen tobten noch immer, und auf seiner Zunge klebte ein leichter Geschmack nach Alkohol. Womöglich hatte er eine Fahne.
Er zwang sich zur Konzentration und stand auf. Sein erster Tag im K1. Eine doppelte Aufgabe.
Auf dem Gang traf er Bönte, der Wasser für die Kaffeemaschine holte. »Wie geht's? Du siehst nicht gut aus, Thomas!«
»Die Nacht war etwas zu kurz. Und selbst?«
»Der Dicke ist heute alles andere als fröhlich. Der Jugo ist noch immer nicht aufgetaucht.«
»Na, dann bin ich froh, dass ich damit nichts mehr zu tun habe. Ab heute arbeite ich im K1.«
Bönte schien wenig beeindruckt.
»Die brauchen mich im Mordfall Fabian«, legte Tom nach.
»Komische Familie, die Fabians.«
»Wieso?«
»Ich war gestern auf der Beerdigung, weil der Jugo auch dort war. Da hatten wir ihn noch. Na, und plötzlich ohrfeigt sie einen Trauergast auf der Beerdigung des eigenen Vaters!«
»Nora Fabian?«
»Dieser ehemalige Bürgermeister steht am Grab, und plötzlich klatscht es. Habicht, nein Geier.«
»Was?«
»Jetzt hab ich's: Falk! Ein alter Kumpel von Feinkost-Fabian. Wenn die Leute sie nicht weggebracht hätten, hätte sie den alten Mann regelrecht verprügelt!«
»Ich heiße Inga. Der Chef ist noch nicht da«, sagte die Sekretärin. »Eigentlich müsste die Morgenbesprechung jeden Moment anfangen.«
Auch Braunings Sekretärin hatte gerade Kaffeewasser geholt. Tom folgte ihr ins Vorzimmer. Von diesem Flügel der Festung ging der
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