Bittere Delikatessen
heute Nachmittag unrecht getan. Du hast es gut gemeint. Und ich brauche deine Hilfe, Benedikt. Vergib mir!«
Er schwieg weiter. Wenn sie glaubte, er wäre noch immer bereit, ihr zur Flucht zu verhelfen, hatte sie sich geschnitten. Er hatte ihr den Vorschlag in einem schwachen Moment gemacht, und solche Momente hatte er nicht wie ein Krämer gleich mehrfach auf Lager.
»Bist du noch dran?«
»Ja.«
»Ich will nur, dass du mit mir redest. Dass du mir zuhörst und mir einen Rat gibst.«
»Sprich.«
»Nicht am Telefon. Kann ich zu dir kommen?«
»Sag mir erst, um was es geht.«
»Max setzt mich unter Druck. Wegen der Alibis.«
»Was will er?«
Sie zögerte, dann kam die Antwort mit gepresster Stimme: »Mich.«
»Kann er haben. Es gibt jetzt im Knast diese speziellen Besucherzimmer für Paare.«
Am anderen Ende war es still, dann hörte Ben ein leises Weinen. Er hatte sie getroffen, doch sie legte nicht auf.
Schließlich sagte sie: »Ich kann dir alles erklären. Hilf mir.« Sie schluchzte und schniefte, und was sie sagte, klang echt. Eine heiße Klammer legte sich um Bens Herz bei ihren Worten.
»Ich liebe dich doch, Benedikt. Merkst du das nicht?«
Sie saßen auf seiner Dachterrasse und hielten sich an ihren Cappuccino-Tassen fest. Die Terrasse war klein, Ben hielt weitestmöglich Distanz zu Nora.
»Schön hast du es hier!«, sagte Nora. Es war nach Mitternacht, und in den Straßen war es still. Hinter den alten Fassaden an der Kreuzung unter ihnen ragte schwarz der Block des Hochhauses empor. In einer der höheren Etagen waren einige Fenster erleuchtet. Der Rest der Stadt schien zu schlafen.
»Was ist das für ein Geräusch?«
»Das kommt vom Rhein. Das ist das Tuckern der Boote. Tagsüber hört man es nicht. Aber nachts, wenn es ganz still ist, dringt es bis hierher.«
»Ein tolles Plätzchen«, wiederholte sie und ließ ihre Zigarette lange aufglimmen.
»Deswegen bist du nicht da.«
Sie sah ihn an. Ihr Haar leuchtete im Mondlicht. Ganz deutlich konnte er ihren Leberfleck erkennen.
»Max weiß, dass ich in der Klemme bin. Von ihm war die Idee, dass ich sagen sollte, ich hätte Rohypnol genommen und den ganzen Morgen geschlafen. Und dass ich am Sonntag den ganzen Abend bei ihm gewesen sei. Das stimmt auch nicht.« Mit einem ängstlichen Blick forschte Nora in Bens Gesicht. »Zuerst habe ich gedacht, er gibt mir das Alibi aus reiner Freundschaft. Aber jetzt verlangt er, dass wir zusammenziehen und heiraten. Er sagt, ich soll ihm gehören. Er stellt mich vor die Alternative: Morgen will er die Verlobung bekannt geben oder seine Aussagen zurücknehmen. Das Schwein hat mich in der Hand. Er weiß genau, dass ich nicht sagen kann, wo ich am Sonntag in Wirklichkeit war.«
»Und warum nicht?«
Hektisch stieß sie den Rauch aus. »Warum? Weil der Mann verheiratet ist.«
»Welcher Mann?«
Sie zögerte. Ihre Augen schimmerten. Ben zündete ein Windlicht an. Jetzt erst sah er ihre Tränen. »Marco Gladisch. Wir hatten eine Affäre. Es ist vorbei, glaub mir, Benedikt. Gladisch würde nie bestätigen, dass wir am Sonntag zusammen waren. Und Max weiß das. Das Schwein nützt es schamlos aus. Max hat es schon immer auf mich abgesehen. Ich hätte ihm erst gar nicht vertrauen dürfen.«
»Wo und wann?«
»Was?«
»Dein echtes Alibi. Gladisch.«
»Von sieben bis ungefähr um Mitternacht. In seinem Büro.«
»Im Büro?«
»Du solltest es mal sehen. Er ist ein Aufschneider und macht auf Filmmogul. Er hat dort alles, vom eigenen kleinen Kino bis zum Bad mit Sauna und Whirlpool.«
»Aha.« Damit würde Ben nicht dienen können. Schon gar nicht im Büro.
Nora fuhr aufgeregt fort: »Aber Marco würde es nie bestätigen. Dafür ist er zu feige.«
»Warum gibst du nicht zu, dass du am Sonntagabend auch bei Heinz Fabian warst?«
Nora starrte ihn an. »Bei meinem Stiefvater? Ich – bei ihm zu Hause? Niemals!«
»Nora sei ehrlich. Ich habe keine Lust, mir die Nacht mit Märchen um die Ohren zu schlagen. Fabians Nachbar hat dich gesehen. Er heißt Schmitz und hängt den ganzen Tag am Spion seiner Tür. So was wird Mördern oft zum Verhängnis.«
Sie sog an ihrer Zigarette und überlegte. »Was hat er genau gesehen?«
»Eine Person in etwa deiner Größe und mit deiner Frisur. Und auch diese Aussage werde ich morgen den Kollegen weitergeben müssen.«
Nora lachte nervös. »Dafür kommen doch allein in dieser Stadt Tausende infrage.«
»Aber Fabian hatte nur eine Stieftochter, die so aussieht. Und darauf
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