Bittere Sünde (German Edition)
pensionierte Agneta Schiller ihre Katze Siri mit einer Mischung aus Trockenfutter und gekochtem Kohlfisch. Dann setzte sie sich an ihren Kiefernholztisch und rief bei der Polizei an. Schnell wurde sie zu einer arrogant klingenden Polizistin im Präsidium durchgestellt.
»Sofie Eriksson, Landeskriminalamt.«
»Guten Abend, ich habe in den Nachrichten gesehen, dass Sie mich suchen«, sagte sie vorsichtig. Für einen Augenblick blieb es still in der Leitung.
»Und wer sind Sie?«
»Ich heiße Agneta Schiller. Es geht um den verschollenen Polizisten. Ich bin diejenige gewesen, mit der er telefoniert hat.«
»Sie haben mit ihm telefoniert?« Die Stimme klang mit einem Mal hellwach.
Die Katze hüpfte auf den Tisch, und Agneta Schiller kraulte sie zerstreut hinter dem Ohr. »Ja, das glaube ich zumindest. Der Name war mir nicht direkt ein Begriff. Ich wollte nur auf die Hütte in Brottby hinweisen, die lange Zeit leer stand und in der seit Kurzem wieder Licht brennt.«
»Ja?« Der Ton forderte sie auf, weiterzuerzählen.
»Ich glaube, ich wurde an das Dezernat für Gewaltverbrechen weiterverbunden, obwohl ich ja keinen direkten Hinweis auf ein Gewaltverbrechen hatte. Aber Sie suchen ja einen Mörder und diesen Ausländer, Pedro oder wie er hieß … Ich dachte einfach, da könnte einer eingebrochen und es sich bequem gemacht haben.«
»Pedro Estrabou wird als Zeuge gesucht.«
»Ja, stimmt, Sie sagen es. Wie dem auch sei, der junge Mann, mit dem ich da gesprochen habe, klang sehr interessiert«, sagte sie plötzlich in spröderem Ton.
»Warum um alles in der Welt melden Sie sich denn erst jetzt? Wir suchen doch schon seit Tagen nach Ihnen!«
»Weil ich nicht in eine so ernste Polizeiangelegenheit verwickelt werden will! Ich wollte Ihnen einen Hinweis geben, das wird man ja wohl noch anonym machen dürfen, wenn man das möchte. Das Recht hat man ja wohl!« Agneta Schillers Stimme klang plötzlich eine Oktave höher.
»Gut, gut, ich verstehe Sie ja. Beruhigen Sie sich bitte. Und würden Sie mir noch verraten, wo genau die Hütte liegt?«
»Ganz in der Nähe des Tanzklubs
Yesterdays
in Brottby. Von dort führt ein kleiner Weg in den Wald, ich weiß nicht, ob der einen Namen hat. Die Hütte ist sicher die einzige dort, und – wie gesagt – die war seit Jahren unbewohnt und ist mittlerweile oft hell beleuchtet. Ich komme oft daran vorbei, wenn ich Katzenfutter einkaufen fah …«
»Rufen Sie von Ihrem Festnetz aus an?«
»Ja.«
»Haben Sie auch eine Handynummer?«
»Nein, was haben Sie denn …«
»Vielen Dank!«
Klick. Agneta blieb verdutzt mit dem Hörer in der Hand sitzen. Diese Polizisten hatten wirklich keine gute Kinderstube genossen, so viel stand ja wohl fest. Sie hob Siris leere Schüssel auf und füllte Fischmus nach.
117
Sofie zog sich den Mantel an. Natürlich bestand die Gefahr, dass sich diese Agneta Schiller als eine weitere Enttäuschung entpuppte, doch Sofies Intuition sagte ihr, dass sie genau die Zeugin war, die sie gesucht hatten.
Sie warf noch einen Blick auf den Zettel mit der Wegbeschreibung, während sie Rogers Büro ansteuerte.
Bereits eine Stunde später trotteten Sofie und Roger durch den verschneiten Wald. Die Sonne war schon untergegangen, obwohl es gerade mal sechs war. Sofie leuchtete mit einer Taschenlampe den Weg, sie stolperten aber trotzdem abwechselnd über schneebedeckte Wurzeln, Äste oder Steine. Roger war für einen Ausflug dieser Art extrem schlecht ausgestattet mit seiner schwarzen Lederjacke und den Turnschuhen. Seine Füße schmerzten schon vor Kälte.
Sofie schielte immer wieder besorgt in seine Richtung. Wie üblich hatte er die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht sehen, aber er pumpte wie ein Blasebalg und klang wie kurz vorm Herzstillstand.
»Alles in Ordnung?«
»Ja, ja.«
»Wie wär’s, wenn wir Verstärkung rufen?«
»Ist doch schon unterwegs, die brauchen aber noch ein Weilchen.«
Sofie lächelte erleichtert, doch weil die Dunkelheit sie wie eine dichte Decke umgab, bemerkte Roger davon nichts.
Fünfzehn Minuten waren sie bereits unterwegs und sahen nichts als schneeschwere Fichten und Kiefern.
Roger fragte sich, wie kalt Zehen wohl werden mussten, bevor man ärztliche Hilfe brauchte.
»Werden abgefrorene Zehen eigentlich amputiert?«, fragte er mit einem gequälten Grinsen und biss sogleich die Zähne aufeinander. Plötzlich tauchte die Hütte vor ihnen auf. Drinnen brannte kein Licht, und durch
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