Bitterer Chianti
für alles einen Weg.» Diese Platituden hatte Frank zu oft gehört. Nur bei Wanda klang es, als stünde auch was dahinter. Erst kurz vor der Kellertreppe bemerkte Frank, dass sie ihn diskret dirigierte.
«Ich möchte dir gern unseren Weinkeller zeigen.»
Bitte keine Waffen oder tote Soldaten, dachte Frank und ließ sie vorgehen. Er hätte sich lieber um Antonia gekümmert. Während Frank halbherzig die Sammlung internationaler Weine betrachtete, die Wanda und ihr Mann nie im Leben würden austrinken können, klärte die Winzerin ihn über Antonias Ehe auf.
«Ich halte es für wichtig, dass du Bescheid weißt. Antonia hat Massimo kennen gelernt, als sie siebzehn war. Er sah gut aus, unverschämt gut, das tut er immer noch. Wir schwärmten alle für ihn, und er hatte Charme, er war witzig, er war hochnäsig, Madonna , schon damals, vor zwanzig Jahren, incredibile . Seine Familie gehört zu den reichsten nördlich von Florenz, keine Adligen von Geblüt, aber vom Geld her, Baumaschinen, Reifen, Autohandel. Alle Bagger und Raupenschlepper, die du hier siehst, mit denen sie die Weinberge bearbeiten, gehören ihm.» Einen Augenblick lang glaubte Frank Begeisterung in Wandas Stimme zu hören.
«Baumaschinen, sagst du? MV-Leasing – das stand auf dem verunglückten Bagger.»
«Ja, Massimo Vanzetti Leasing, die gehört ihm ...»
Während Wanda erzählte, dass Antonia ihren zehn Jahre älteren Mann mit siebzehn kennen gelernt und mit achtzehn Jahren geheiratet hatte, sah Frank wieder die Aufschrift MV-Leasing vor sich, auf der Seite des Baggers in der Schlucht, und darunter den zerquetschten Fahrer.
«... mit neunzehn und einundzwanzig kamen die Kinder, Maria und Cesar, bombastische Namen. Maria, die Mutter Gottes – und Caesar, der Herrscher Roms, Senator, Feldherr ... Er verlor das Interesse, und sie weigerte sich, seine donna di casa zu werden, eine Edelmatrone, abgestellt zum Kinderkriegen und zum Repräsentieren. Ob man dem Vogel die Gitterstäbe vergoldet, spielt keine Rolle, Franco, gefangen bleibt er immer. Er hat Antonias Vater das Weingut abgekauft, angeblich für sie, aber in Wirklichkeit wollte er verhindern, dass sie es erbt.»
Frank schüttelte den Kopf. «Ihre Eltern haben mitgespielt?»
Jetzt war es an Wanda, sich zu wundern. «So schlimm würde es schon nicht werden, haben alle gemeint. Und als nichts mehr ging, kam die Verbannung.»
«Auf das Weingut?»
«Das haben die Florentiner schon vor fünfhundert Jahren gern gemacht. Nur der Krieg hörte nicht auf. Jedes Jahr werden Antonias Weine prämiert, offiziell die der Fattoria Vanzetti, zwei Gläser mindestens im Weinführer Gambero Rosso und neun von zehn möglichen Punkten im Veronelli – jeder weiß, dass es ihrer Leistung zu verdanken ist, und das ist ein Stachel in Massimos Fleisch. Er wird sie rauswerfen und sich teure Önologen kaufen, die ihre Arbeit machen, er glaubt, die kriegen das hin. Aber – da irrt er sich. Wenn sie aufmuckt, wird Massimo sich die besten Anwälte Italiens holen.»
«Wieso ist sie auf seine Gnade angewiesen?»
«Das Gut gehört ihm. Vanzetti ist Spezialist für freundliche und feindliche Übernahmen, meist feindliche: Er übernimmt marode Firmen, entlässt die Arbeiter, baut die Firmen wieder auf und verkauft sie. Oder er macht aus zweien eine. Ein gnadenloses Management.»
«Und Frauen? Er wird doch eine Geliebte haben, eine Freundin – oder zwei?»
«Ihm nachzuspionieren ist lebensgefährlich. Es hat mal jemand gewagt, der wurde halb totgeprügelt.»
«Du magst ihn nicht?»
«Nein. In meinen Augen ist er ein Verbrecher.»
«Und jetzt?»
«Hilf ihr, bleib ein bisschen. Ihr Reporter seid euer Leben lang nur auf der Durchreise, oder? Ich glaube allerdings, du bist auch nicht allzu glücklich? Antonia hat das angedeutet.»
«Das hat andere Gründe», sagte Frank ausweichend, «darüber würde ich nach dem Essen gern mit euch sprechen.»
Nach dem Essen zögerte Antonia ihren Aufbruch hinaus, obwohl sie dringend in ihrer Kellerei erwartet wurde. Die mögliche Begegnung mit ihrem Mann stand ihr bevor. Außerdem gefiel es ihr gut an Franks Seite. Sie blickte ihn auf eine mehrdeutige Weise an: erwartungsvoll, mit Zuneigung, vorsichtigen Fragen und Skepsis.
Er wäre lieber mit ihr allein gewesen, statt von seinem Besuch bei Strozzi und dem Zusammentreffen mit Carla Tuccanese und ihrem Telefonat zu berichten. Seine erfolglosen Versuche, die Maklerfirmen in San Gimignano und Colle Val d’Elsa zu finden, gehörten
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