Bitterer Jasmin
geteilt hatte. Er schlief noch mit offenem Mund, ein Bein hing über den Bettrand. Es war ihr alles gräßlich gewesen. Sie hasste sich selbst dafür, nachgegeben zu haben, hasste die Situation, die ihn an sie fesselte. Einen Augenblick lang dachte sie daran, ihn zu töten und sich dadurch zu befreien, aber sie wußte, daß das jetzt nicht mehr ging. Er hatte die Gewalt an sich gerissen, und er war ein unberechenbarer, bösartiger Mensch, vor dem sie Angst verspürte. Bis zum Ende der Aktion konnte sie ihm nicht entrinnen. Sie ging in ihr eigenes Zimmer und duschte. Schämte sich, daß ihr unwillkürlich Tränen um Peters kamen, und dann erinnerte sie sich plötzlich an die Gefangene im Keller. Eileen Field war an Peters' Tod schuld! Madeleine stelle sich vor, wie sie ihr die Haare büschelweise ausreißen würde. Resnais wachte bestimmt noch eine Weile nicht auf. Jedenfalls konnte sie ihr jetzt mal einen Besuch abstatten und schauen, wie angenehm es für die Gefangene ohne Essen und Wasser gewesen war.
Sie zog sich an und ging hinunter. Im Funkraum brannte das Licht. »Achmed?« rief sie, trat durch die Tür und entdeckte ihn auf seinem Lager. Blut rann ihm aus dem Mund. Sie hatte schon ähnliche Tote gesehen. Madeleine vergaß Eileen Field, rannte zur Treppe und schrie nach Resnais.
***
Logan wurde auf dem Flugplatz von einem Regierungsauto mit Staatsflagge erwartet. James Kelly war mitgekommen; man behelligte ihn nicht mit Zollformalitäten, er wurde durch das Gebäude gelotst, und erst als sie im Auto saßen, erklärte ihm James alles.
»Der Schah will Sie sehen«, sagte er. »Wir bekamen heute früh einen Anruf vom Hof. Gott sei Dank war das Flugzeug pünktlich.«
»Was ist denn überhaupt los? Etwas mit Imshan?«
James konnte kaum antworten. »Die ganze Sache ist nach hinten losgegangen! Darum will der Schah Sie sprechen!« Er machte eine Geste zum Fahrer hin. Es war keine Glaswand zwischen Vorder- und Rücksitzen. »Wir besprechen es lieber nicht jetzt und hier«, flüsterte er. »Viele dieser Leute verstehen Englisch. Wir sind ja ohnehin gleich da.«
Der breite, zweistöckige Palast aus glänzendweißen Steinen war hinter den riesigen verzierten Toren kaum zu sehen. Das Auto hielt, sie stiegen aus. Ein Offizier kam auf sie zu. James nannte seinen Namen, der Offizier sah in seiner Liste nach. Dann gingen sie die breite Allee zum Palast hinauf. Es war ein heißer, klarer Morgen, der Himmel hinter dem weißen Gebäude strahlte in tiefem Blau. Der Palast war modern, allerdings mit starkem klassisch-griechischem Einfluß. Eine breite, von Säulen flankierte Freitreppe führte zum Haupteingang.
»Was will er denn von uns?« fragte Logan ungeduldig.
»Was ist nach hinten losgegangen?«
»Homsi ist verhaftet worden und an der Folter gestorben. Ardalan weiß alles.«
»Du meine Güte«, stöhnte Logan. Seite an Seite stiegen sie die Treppe hinauf.
Ein Zeremonienmeister in farbenprächtiger Uniform empfing sie an der Tür und geleitete sie durch die weiße Halle zum Warteraum.
»Seine Kaiserliche Majestät wird Sie in ein paar Minuten empfangen.« Er schloß die Türflügel hinter sich. Der Warteraum hatte größere Ausmaße als alle, die Kelly in ähnlichen Palästen kennen gelernt hatte, und das waren gar nicht wenige. Die Möbel waren unglaublich luxuriös, Kelly identifizierte sie als neunzehntes Jahrhundert bester französischer Provenienz. Die riesigen bunten Teppiche waren sichtlich neuesten Datums; ein lebensgroßes Porträt der Kaiserin in Staatsrobe mit den iranischen Smaragden auf der Stirn, an den Ohren und am Hals hing an einer Wand. Alles sah nach überwältigendem, erst kürzlich erworbenem Reichtum aus. Die Spiegel, all das Gold und die vielfarbigen Kronleuchter erinnerten an einen Kirchenraum. Nichts war vom Alter gedunkelt, alles glitzerte und funkelte. Auch die Farben der Teppiche strahlten unwahrscheinlich. Der Schauraum eines neugebackenen Millionärs von geringem Geschmack und mit wenig Gefühl für Antiquitäten.
Logan sagte nichts, er bereitete sich auf das Gespräch vor. Was James ihm gerade eröffnet hatte, ließ er nicht tiefer eindringen, als im Augenblick für das Treffen nötig war. Schah Reza Pahlewi war immerhin eine Persönlichkeit. Field erinnerte sich an James' Beschreibung des Mannes. Kalt, überaus intelligent, von ruhiger Autorität. Ließ sich weder bluffen noch einschüchtern, war absoluter Herr seines Landes und Volkes. Und hatte dank seiner Ölschätze die Welt
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