Bitterer Jasmin
in der Hand. Der Zeremonienmeister kam zurück und hielt die Tür auf.
»Seine Kaiserliche Majestät ist bereit, Sie zu empfangen. Kommen Sie bitte mit mir.« Wieder ging es durch die Halle, diesmal in einen kleinen, blaßgrün dekorierten Raum mit einem hübschen Schreibtisch zwischen den hohen Fenstern, die auf den Palastgarten hinaussahen, einem bequemen Sofa und zwei Lehnsesseln, durch einen langen Marmortisch getrennt.
Der Schah kam auf sie zu und schüttelte ihnen die Hand. Der Schatten Gottes, Licht der Arier, König der Könige. Er war nur mittelgroß, Logan überragte ihn um gut zehn Zentimeter, was ihm aber keinen Vorteil brachte. Das schmale Gesicht war gefurcht, die Haare grau und sehr kraus. Er trug leichtgetönte Brillen, hinter denen die Augen nur schwer zu erkennen waren. Sein hellgrauer Anzug und die dezente Krawatte standen in scharfem Gegensatz zu den farbenfrohen Uniformen der Hofbeamten. Er lächelte James zu. »Wie geht es Ihnen, Mr. Kelly?«
»Danke gut, Majestät.«
»Setzen Sie sich doch bitte, Mr. Field.«
Alles wirkte ganz leger, der Schah schien gelöst und freundlich; er erinnerte Logan mehr an den Direktor einer riesigen Industriefirma als an einen Autokraten bei der Audienz.
»Ich möchte vor allem mein Bedauern darüber ausdrücken, daß ich Sie unter so schmerzlichen Umständen kennenlernen muß. Es tut mir schrecklich leid, was mit Ihrer Frau passiert ist. Eine gräßliche Sache.«
»Ich danke Ihnen, Majestät«, sagte Logan.
»Soviel ich hörte, haben Sie mit den Japanern wegen finanzieller Unterstützung verhandelt.«
Der Schah schlug die Beine übereinander.
Kelly merkte, daß die Audienz von nun an nur noch zwischen Logan und dem Schah stattfinden würde. Wenn ein Vorgesetzter anwesend war, verhandelte der Schah nicht mit Untergeordneten. Kelly war nicht beleidigt. Der Schah hatte die Gespräche mit ihm genossen und, soweit er überhaupt Gefallen an einem Menschen finden konnte, gefiel ihm James Kelly offensichtlich.
»Ja, es schien mir die einzige Lösung, um die Forderung des Ministers erfüllen zu können, finanzielle Unterstützung von anderer Seite zu suchen, da sonst der Bau einer neuen Raffinerie für Imshan unmöglich gewesen wäre. Unsere eigenen Finanzmittel reichen nicht für den Bau und die Entwicklung der Ölquellen.«
»Das verstehe ich durchaus, aber da die Vorteile für Sie und die ganze westliche Welt doch so offensichtlich sind, wußte ich, daß sich die Schwierigkeiten überwinden lassen würden. Das habe ich auch zu meinem Minister gesagt. Ich war ganz sicher, daß der zu erwartende Profit Ihnen die Sache möglich machen würde.«
»Gewiß«, antwortete Logan. »Wir haben mit der japanischen Regierung einen Vertrag ausgehandelt, nach dem sie bei einer garantierten Abgabe von bestimmten Ölmengen den Bau der Raffinerie finanziert.«
»Gut, auf diese Nachricht hatte ich gehofft. Als der Minister ermordet wurde, stiegen Zweifel an Ihrer Aufrichtigkeit auf – irgendwie verständlich nach der Enthüllung Oberst Ardalans. Jetzt bin ich beruhigt.«
»Vielen Dank, Majestät.« Field war der Schah ganz entspannt vorgekommen – jetzt merkte er, daß es eine künstliche Ruhe war. Der Mann war gespannt wie eine Feder. Sein Englisch war fehlerlos – er hatte es ja schon als Junge gelernt. Normalerweise liegen Persern westliche Sprachen nicht besonders. Nach seiner Erziehung im Schweizer Internat und ausgedehnten Reisen hatte er eine Zeitlang den Eindruck eines Playboys gemacht, bis die Briten 1941 seinen Vater absetzten und ihn auf den Thron brachten, weil sie annahmen, daß er gleich einer Marionette von White Hall gelenkt werden könne. Dreißig Jahre danach saß Logan Field diesem Mann gegenüber. Sein Verhandlungsgeschick hatte es ermöglicht, die verlangte Raffinerie zu bauen, der Imperial Oil und dem Iran das gegeben, was sie beide wünschten. Mohammed Reza Pahlewi hatte seine zweite Frau, die Kaiserin Soraya, geliebt. Für einen orientalischen Herrscher, dessen Thronnachfolge noch ungesichert war, hatte er sich der kinderlosen Gefährtin gegenüber reichlich gefühlvoll gezeigt, sogar nach der Scheidung. Logan hatte bisher noch nie eine Geschäftsverhandlung geführt, in der er für das, was er bot, nicht auch versuchte, etwas zurückzubekommen – und es auch meistens erhielt. Jetzt kam ihm der Gedanke, daß das Oberhaupt des iranischen Staates ein Mann wie er selbst war, und dazu ein Mann, dem gerade alles geboten worden war, was er verlangt
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