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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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an«, seine Stimme war jetzt hart und unerbittlich, »du hast bewiesen, dass du das nicht nötig hast.«
    Jetzt oder nie. Tilde wusste um das Risiko, aber das war ihre einzige Chance. »Glaubst du wirklich, dass ich an diesem Abend zu den Partisanen unterwegs war?«
    Die Antwort kam prompt: »Ja.«
    »Warum hast du mich dann nicht an Maestri ausgeliefert?«
    Er lachte abfällig: »Maestri? Das war die Sache nicht wert.« Dass sie ihn geduzt hatte, schien er nicht bemerkt zu haben. »Du hast dein ganzes Leben noch vor dir und in ein paar Monaten wird der Krieg zu Ende sein.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Für mich ist er schon lange vorbei. Seit eine englische Fliegerbombe meine Familie ausgelöscht hat.«
    Tilde schluckte. Deshalb also war er so traurig. Auch hier und heute fielen Bomben. Warum hatte er ihr auf dem Fest nichts davon erzählt?
    »Mein armer trauriger Hauptmann, obwohl du auf der Seite der Faschisten kämpfst, tut es mir doch leid, dass der Krieg auch dir alles genommen hat.«
    Der Gedanke irritierte sie. Sich einzugestehen, dass in |90| einer graugrünen Uniform mit dem Hakenkreuz nicht nur Täter, sondern auch Opfer stecken konnten, fiel ihr schwer.
    »Deine Familie?«
    »Meine Frau und unsere drei Kinder. Sie starben vor zwei Jahren in Köln, bei einem Bombardement der Engländer. Das Dritte Reich schuldet mir etwas.«
    Sie schwieg, aber ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Hessen goss sich noch einen Cognac ein und leerte das Glas in einem Zug.
    »Nicht traurig sein,
Fräulein
, bald sind die Amerikaner da und ihr werdet jubeln.« Seine Worte sollten tröstlich klingen.
    »Wenn dich jetzt deine Kameraden hören könnten   …«
    »Sie würden mich hinrichten, nicht anders als deine Kameraden.«
    Er zuckte mit den Schultern und zog gierig an seiner Zigarette. Dann stieß er den Rauch aus, schnippte die Kippe auf den Marmorboden und zermalmte sie mit dem Stiefelabsatz. »Ist mir egal«, fuhr er fort.
    »Mir aber nicht, mir ist das nicht egal. Wer soll mich dann beschützen?« Sie stand auf.
    »Du wirst lernen, selbst auf dich aufzupassen.« Immer noch diese gespielte Heiterkeit. Er goss sich einen weiteren Cognac ein und kam auf sie zu, die Augen halb geschlossen, ein trauriges Lächeln auf den Lippen. »Auch einen Schluck,
Fräulein
? Uns bleibt nicht viel Zeit. Nur das kann uns retten.« Er hob das Glas.
    Seine Worte kamen jetzt schleppend und er hatte Schwierigkeiten das Gleichgewicht zu halten. Er versuchte sie zu umarmen, aber sie wehrte ihn ab und sah zu, wie er strauchelte.
    »Ich habe keine Uniform, unter der ich mich verstecken kann, ich muss wissen, wer mich verraten hat.«
    |91| »Ich habe dir schon einmal das Leben gerettet. Was willst du noch von mir armseligem Soldaten?«
    Seine Frage brachte sie in Verlegenheit.
    »Du bist betrunken.« Trotz aller Traurigkeit musste sie lächeln.
    »Betrunken? Na und?«
    »Lass uns ein Spiel spielen.«
    »Was für ein Spiel?« Er klammerte sich an ihr fest.
    »Wahrheit oder Pflicht.«
    »Einverstanden, aber vorher gehen wir ins Bett.«
    Am liebsten wäre sie weggelaufen, aber sie riss sich zusammen: »Vergiss den Cognac nicht, ich will noch etwas trinken.«
    »Gute Idee. Du nimmst den Leuchter.«
    Sie gingen die Marmortreppe in den ersten Stock hinauf. Hessen konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten und klammerte sich am Geländer fest. Im Schlafzimmer empfing sie wohlige Wärme. Im ausladenden Kamin loderte ein kräftiges Feuer. Das züngelnde Spiel der Flammen hüllte den Raum in flackernd rotes Licht. Alles schien zu tanzen: die Freskowände, die Stuckdecke, der Spiegelschrank, die schweren Samtvorhänge   … Hinter den verhüllten Fenstern ließ sich die Schwärze der Nacht erahnen. Sie ließen sich auf das Himmelbett fallen, bereit zum Duell. Hessen versuchte Tilde zu packen, aber sie war schneller und rollte von ihm weg.
    »Spielen wir?« Ihre Augen blitzten.
    »Los geht’s.«
    Ihr Körper revoltierte, alles schien sich zu drehen. Doch sie spürte auch eine unbändige Kraft. »Du darfst mich Stück für Stück ausziehen, aber jedes Stück hat seinen Preis.«
    »Was muss ich tun?«
    »Mir jedes Mal ein Stück Wahrheit schenken.«
    |92| »Und dann?«
    »Dann kannst du mich haben, wenn du noch kannst.« Hessen schüttelte den Kopf und knöpfte sich die Uniformjacke auf. »Werden deine Freunde sie umbringen?«
    »Machst du dir etwa Sorgen um eine Schlampe, die ihre Leute verrät?«
    »Diese Schlampe arbeitet immerhin für den

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