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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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Anwalt oder Sozialarbeiter. Sondern ein Mann, der einfach so acht in ihrer Obhut stehende Prostituierte besuchen wollte, die in letzter Minute davor bewahrt werden konnten, in der Gosse zu landen. Sie führte mich durch einen endlos langen düsteren Korridor, dessen kleine Fenster an ein Gefängnis erinnerten. In der tiefen Stille hallte das Knirschen meiner Sohlen in dem hohen Gewölbe überlaut wider. Schwester Caterina mit ihren kurzen, schnellen Schritten schien dagegen über den Boden zu schweben wie eine japanische Geisha.
    Ihre Schützlinge waren in renovierten Räumen im ersten Stock untergebracht. Bevor ich reagieren konnte, hatte mir die Schwester die Tür vor der Nase zugeschlagen. Eintritt verboten. Nach kurzer Zeit öffnete sich die Tür und sie kam mit zwei Frauen wieder heraus, die Jasmine kannten. Die eine, blutjung und mit schokoladenbrauner Haut, hieß Hoogy. Die andere sah aus wie eine Walküre in kurzem Rock. Sie stammte aus der Ukraine, ihren Namen hatte sie mit Lara angegeben, wie die Geliebte von Doktor Schiwago. Beide sprachen nur wenig Italienisch, aber es reichte, um sich verständigen zu können. Ich musste Pertusiello recht geben: Die Frauen ahnten nicht, dass sie vor dem Schlimmsten bewahrt worden waren. Als ich mich als Privatdetektiv zu erkennen gab, kehrte ihr anfängliches Misstrauen zurück. Misstrauen und Angst, in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden. Caterina führte uns in ein Zimmerchen mit einem Tisch und vier Stühlen, das »Besuchszimmer«. Sie schloss die Tür, nahm sich einen Stuhl und setzte sich in eine Ecke, während die beiden Frauen und ich um den Tisch Platz nahmen.
    |119| »Erinnert ihr euch an Jasmine?«
    Die beiden blickten sich fragend an, dann nickten sie einvernehmlich.
    »Wie lange wart ihr mit Jasmine zusammen, bevor sie gegangen ist?«
    »Ich zwei Wochen«, antwortete Lara und legte sich bekräftigend die Hand auf die Brust, »sie zwei oder drei Tage, erst später gekommen.«
    »Drei«, bestätigte Hoogy.
    »Der Commissario hat mir erzählt, Jasmine sei vor etwa einer Woche gegangen.«
    Die Ukrainerin überlegte und zählte die Tage an den Fingern ab. »Ja, vor acht Tagen.«
    »Habt ihr oft miteinander gesprochen?«
    »Oft? Normal. Den ganzen Tag im Haus, nichts zu tun. Sie redet, kocht und spielt Karten. Sehr nett.«
    »Wirkte sie nervös oder ängstlich?«
    »Nein. Ganz ruhig.«
    »Auch nicht, bevor sie gegangen ist?«
    »Nein.«
    Wenn Jasmine etwas gewusst hätte, dann hätte sie mit den Frauen darüber gesprochen, da war ich sicher. Also hatte auch sie nichts von dem geahnt, was sie erwartete. Als sie mich damals aus dem Nachtclub werfen ließ, tat sie das nicht zu meinem Schutz, sondern weil sie davon überzeugt war, dass dort ein besseres Leben auf sie wartete. Ihre Freundin Chérie hatte wohl erst danach die Wahrheit erfahren, vielleicht durch ihren »Beschützer« von der Elfenbeinküste.
    »Ich muss sie finden«, drängte ich.
    »Du bist Bacci?«, fragte Lara unvermittelt.
    Ich nickte.
    »Jasmine von dir sprechen. Mag dich. Hat erzählt, dass du sie wegbringen.«
    |120| »Was noch?«
    Sie senkte den Kopf und starrte auf den Boden. »Kann ich nicht sagen.«
    »Lara, es ist wirklich wichtig.«
    »Wichtig für wen?«
    »Was meinst du damit?«
    »Sache von Jasmine. Wenn sie nicht sagt, dann sie hat Gründe.«
    Lara würde nichts sagen. Aber wenn sie wüsste, dass Jasmine in der Gewalt eines perversen Irren war, würde sie dann immer noch schweigen? Ich entschied, die Karten auf den Tisch zu legen.
    »Der Mann, an den Jasmine verkauft wurde, wird sie fertigmachen. Wenn ich sie nicht schnell genug finde, muss sie sterben.«
    Die beiden starrten mich entsetzt an. Damit hatten sie nicht gerechnet. Vielleicht hatte man ihnen erzählt, sie würden an Männer vermittelt, die zu schüchtern waren, um eine Frau zu finden, und genug Geld hatten, um ihnen ein gutes Leben zu bieten. Naiv wie kleine Mädchen hatten sie an den Traum vom Märchenprinzen auf dem weißen Pferd geglaubt. Das war ihre Art zu überleben. Doch hinter jedem Traum lauert die Wahrheit und es braucht nur einen kleinen Piekser, bis die Blase platzt.
    Sie waren schockiert, aber sie weinten nicht und stellten auch keine Fragen. Nach einigen Sekunden brach Hoogy das Schweigen: »Ich habe Auto gesehen.«
    »Welches Auto? Von welchem Auto sprichst du?«
    »Das Auto, in dem Jasmine weggegangen. Ich vor Angst nicht schlafen, an Fenster geschaut.«
    »Was war das für ein Auto? Hast du das

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