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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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essen zu müssen, missfiel mir noch immer. Bei meiner Partnersuche war ich auch nicht weitergekommen. Deshalb bestellte ich einen zweiten, dann einen dritten Cocktail. Danach hatte die Idee zu kochen auch den letzten Reiz verloren. Ich dachte über eine Alternative nach. Ich konnte nach Hause gehen, mich aufs Sofa legen, Mozart hören und mir ein Glas Lagavulin genehmigen. Leider war die nach dem ersten Negroni aufgekeimte Euphorie rasch verflogen, die Welt zeigte ihr wahres Gesicht – in Moll. Meine alkoholumnebelten Gedanken fuhren Karussell. Mein schlechtes Gewissen ließ mir keine Ruhe: Schon seit zwei Wochen war Aglaja nicht mehr bei mir gewesen. Nachdem wir uns ausgesprochen |116| hatten, war sie regelmäßig zum Essen gekommen. Und jetzt? Warum kam sie nicht mehr? Weil ich nie da war. In den Wochen bis zur Verhaftung der Trevisan-Brüder hatte ich wie im Zeitraffer gelebt. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass in diesem Chaos nicht einmal mehr Platz für meine Tochter gewesen war.
    Ich versuchte vergeblich, mir die jüngsten Ereignisse in Erinnerung zu rufen, doch die Gedanken liefen ins Leere.
     
    Nach dem Gespräch mit Pertusiello damals hatte ich die Questura verlassen. Der kalte Wind hatte mir eisigen Nieselregen ins Gesicht gepeitscht, auf den Straßen hatte sich ein glänzender Feuchtigkeitsfilm gebildet. Ich trat die Vespa an und fuhr zum Istituto Belvedere, wo man die jungen Frauen untergebracht hatte. Als ich dort ankam, war ich klatschnass. Ich rief den Commissario an und bat ihn, die diensthabenden Polizisten anzuweisen, mich ins Gebäude zu lassen. Er war nicht begeistert, willigte nach einer Weile aber doch ein. Da ich ihn schon am Apparat hatte, fragte ich ihn, wie das Verhör mit dem russischen Mafioso gelaufen war. Wie erwartet hatte der Mann zugegeben, Nadjezda Ivanovna an die Trevisan-Brüder »adressiert« zu haben. Von deren üblen Machenschaften habe er aber nichts gewusst, das hatte er beim heiligen Mütterchen Russland geschworen. Ihm sei nur bekannt gewesen, dass die Brüder einen Nachtclub mit Tabledance betrieben, wo sich Tänzerinnen auf einer Bühne zur Schau stellten und von Besuchern dafür Geldscheine zugesteckt bekamen. Ein ganz normales Geschäft, oder? Am Ende war er bei dem Gedanken an all die Nataschas, Irinas und Swetlanas, die er unwissentlich in den Tod geschickt hatte, sogar in Tränen ausgebrochen.
    Totò Pertusiello war Experte, was solche Verhöre anging. Er hörte sich geduldig an, was der Verdächtige zu |117| sagen hatte, und wog dann ab. Log er das Blaue vom Himmel herunter oder war er wirklich so naiv? Wussten die Menschenhändler wirklich nicht, was auf die »Ware« wartete? Ihr Verhalten erinnerte an die Banken, die Mafiageld verwalten und die Profite dann weiter investieren. Woher das Geld kommt, spielt für sie keine Rolle. Geld stinkt nicht. Pertusiello wusste, dass die Unterwelt und die Finanzwelt die Ersten gewesen waren, die die Möglichkeiten der Globalisierung erkannt und genutzt hatten. Sie legten die ungeschriebenen Gesetze des Marktes auf ihre Weise und zu ihrem Vorteil aus. Der Commissario hatte sich mit Dottoressa Ferlito und mit dem leitenden Staatsanwalt beraten. Übereinstimmend waren sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aussage des Russen glaubhaft war und man ihn nicht belangen konnte. Im Übrigen seien alle Frauen volljährig gewesen. Schließlich fügte er hinzu, dass das Verhör der Trevisan-Brüder weit weniger erfolgreich verlaufen war.
    »Hattest du nicht gesagt, binnen vierundzwanzig Stunden werden sie schwach?«
    »Ich habe mich geirrt«, sagte er mit müder Stimme. Er wirkte enttäuscht.
    »Warum?«
    »Es gibt nicht den Hauch eines Beweises gegen die beiden und das wissen sie sehr genau. Die Typen scheinen die Frauen mit Samthandschuhen angefasst zu haben. Die Frauen ahnen offensichtlich nichts davon, welches Schicksal ihnen erspart blieb, und wollen keine Anzeige erstatten. Allein auf der Aussage deiner Freundin Chérie können wir keine Anklage aufbauen, vor allem, weil sie nicht mehr lebt. Wenn wir nicht wenigstens eines der Opfer finden, müssen wir alle freilassen.« Fast bedrückt verabschiedeten wir uns voneinander.
    Die Ordensschwester hieß Caterina. Über ihr Alter ließ |118| sich wenig sagen, sie war irgendwie zwischen vierzig und sechzig, machte aber einen energischen, hellwachen Eindruck. Als sie mich begrüßte, blitzte Misstrauen in ihren Augen auf, immerhin war ich ein Mann. Und zwar keine Amtsperson, kein Richter,

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